: Geld von oben für Betriebe von unten
Kongreß „Wirtschaft von unten“ fordert Gesetz zur Förderung gemeinnütziger Betriebe. Weddinger Seniorendienst und Kreuzberger Stattmarkt ohne Subventionierung nicht lebensfähig ■ Von Hannes Koch
So bunt die Mischung der Betriebe, Projekte und Initiativen, so selbstbewußt war ihre Botschaft. Stellvertretend für die 300 TeilnehmerInnen des Kongresses „Wirtschaft von unten“ am vergangenen Wochenende in Potsdam forderte Karl Birkhölzer, Dozent an der Technischen Universität Berlin, ein „Gesetz zur Förderung der selbstverwalteten Wirtschaft“. Damit solle ermöglicht werden, daß gemeinnützige Unternehmen die Arbeitsplätze, Produkte und Dienstleistungen bereitstellen können, die die herrschende Ökonomie nicht mehr biete.
Zum Kongress eingeladen hatte die „Bürgerinitiative für Sozialismus“, von dem hannoverschen Journalisten Eckart Spoo aus Anlaß des 200. Jubiläums der Französischen Revolution 1989 gegründet. Ihrem Wahlspruch „Freiheit, Gleichheit, Mitmenschlichkeit“ folgte das Motto des Kongresses: „Unter sich keinen Sklaven sehen und über sich keinen Herren.“
Gemeinsam war den meisten GenossenschaftlerInnen, Ökounternehmern und Ex-HausbesetzerInnen die Einsicht, daß alternative Wirtschaftsunternehmen ohne staatliche Subventionierung kaum überlebensfähig sind. „Das klappt nur in wenigen Ausnahmefällen“, sagte Karl Birkhölzer, gleichzeitig Vorsitzender des europaweiten „Netzwerkes für ökonomische Selbsthilfe“ und Betreiber eines Seniorenhilfsdienstes im Wedding. „Die meisten Alternativbetriebe mußten entweder ihre Existenz oder ihre sozialen Ziele aufgeben“, so Birkhölzer. Einerseits sozial verantwortbare Produkte herzustellen, solidarisch zu arbeiten und zum Beispiel Behinderte aufzunehmen und andererseits auf dem Markt profitabel zu sein, ist in den Augen von Karl Birkhölzer ein unlösbarer Zielkonflikt. Natürlich könne der Weddinger Seniorenhilfsdienst Geld von den alten Leuten einnehmen, weil er ihnen Essen bringe und den Haushalt versorge. Aber die Einnahmen würden niemals die Kosten decken, weshalb man heute auf die Finanzierung von Stellen durch das Arbeitsamt angewiesen sei. Ähnliches wußte Bernd Schüngel vom gemeinnützigen Kreuzberger Kaufhaus Stattmarkt zu berichten. Die in Behindertenwerkstätten hergestellten Möbel, das Gemüse aus ökologischer Landwirtschaft und die anderen Produkte ließen sich durchaus absetzen – aber nur, wenn der Staat einen Teil der Fixkosten des Marktes übernehme.
Die UnternehmerInnen von unten haben es freilich satt, als Bittsteller Jahr für Jahr aufs neue um jeden einzelnen Zuschuß zu feilschen. Warum nicht gleich eine abgesicherte Finanzierung auf Basis eines Bundes- oder Landesgesetzes verlangen? „Der Staat verteilt schließlich unsere Steuern“, rief Stattmarktmitarbeiter Schüngel in den Hörsaal der Potsdamer Fachhochschule. 40 Milliarden Mark öffentlicher Subventionen habe das Flugzeug Airbus gekostet. Das Geld ließe sich für gemeinnützige Zwecke durchaus sinnvoller anlegen, so Schüngel.
Das neue Selbstbewußtsein der Solidar-Ökonomen kommt nicht von ungefähr. Das Fundament ihrer Forderungen legt die gegenwärtige Krise der Marktwirtschaft mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit. Die Analyse: Offiziell sind fünf Millionen BundesbürgerInnen ohne ausreichende, bezahlte Beschäftigung – inoffiziell sieben oder acht Millionen. Gleichzeitig werden notwendige Aufgaben nicht verrichtet, weil sie nicht profitabel sind. Gerade im Bereich der sozialen Dienstleistungen lassen die Versorgung von alten Menschen und Behinderten, die Ausbildung Jugendlicher zu wünschen übrig. Einen Ausweg biete die Kombination der unternehmerischen Initiative von unten und der öffentlichen Finanzierung von oben, meinten viele TeilnehmerInnen des Kongresses.
Der Idee des Fördergesetzes für die Selbstverwaltungswirtschaft kommt ein ähnlicher Stellenwert zu wie dem Modell der Ökosteuer. Würde mit dieser die Umweltwirtschaft gestärkt und der ökologische Umbau eingeleitet, lieferte jene eine stabile Basis für die sozialen Bereiche. Im übrigen: In Italien gibt es ein derartiges Gesetz. Den Kooperativen, die 40 Prozent Beschäftigte mit sozialer Notlage einstellen, bezahlt der Staat südlich der Alpen die Lohnnebenkosten.
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