: Polizei schickt auch Frauen an den Castor
■ Die BI im Wendland feierte am Wochenende kräftig. Eine Gemeinde klagt gegen den Sechser-Transport am 3. März
Hannover (taz) – 700 AtomkraftgegnerInnen haben mit der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg am Wochenende den 20. Jahrestag des Gorleben-Widerstandes gefeiert. Nach einem Bauernfrühschoppen unter dem Motto „Öfter einen ausgeben – niemals aufgeben“ kamen die AtomkraftgegnerInnen zur Spaßdemo am Gorlebener Zwischenlager. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke hat dem niedersächsischen Innenministerium dabei vorgeworfen, für den 1. bis 5. März im Landkreis Lüchow-Dannenberg „einen Belagerungszustand“ vorzubereiten.
Das Innenministerium hatte am Freitag angekündigt, für seinen Castor-Großeinsatz auch öffentliche Gebäude zu beschlagnahmen. Der Polizei fehlen noch sechs Hallen als Unterkunft. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg und zahlreiche Gemeinden weigern sich bisher, der Polizei für den Sechser- Transport ins Gorlebener Zwischenlager Turn- oder Veranstaltungshallen zur Verfügung zu stellen. Der Wasserverband Dannenberg-Hitzacker will der Polizei Wasser nur zum Waschen, nicht aber für Wasserwerfer zu Verfügung zustellen. Der Widerstand kommunaler Einrichtungen gegen den Castor zeigt, daß „nach 20 Jahren sich heute eine ganze Region gegen die Entsorgungsprojekte wehrt“, sagt Ehmke.
Eine Dannenberger Gemeinde will sogar versuchen, den Sechser- Transport nach Gorleben auf gerichtlichem Wege zu stoppen. Für die Gemeinde und ein unmittelbar an der Castor-Umladestation wohnendes Kind hat der Hamburger Rechtsanwalt Nikolaus Piontek beim Bundesamt für Strahlenschutz Widerspruch gegen die Transport-Genehmigung eingelegt. Bei dem Sechser-Transport wird das Umladen der strahlenden Behälter auf Straßentieflader weit mehr Zeit in Anspruch nehmen, als bei den ersten beiden Castor- Transporten. Die Gemeinde fürchtet daher, daß in einer Obdachlosenunterkunft in unmittelbarer Nähe der Umladestation die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung nicht einzuhalten sind.
Selbst nach den Berechnungsmethoden des Bundesamtes wird dieser Grenzwert bereits überschritten, wenn man sich 19 Stunden in zehn Meter Entfernung des Behälters aufhält. Nach Meinung kritischer Wissenschaftler ist die zulässige Dosis schon nach 49 Minuten erreicht. Notfalls wollen die Gemeinde und die Eltern des Kindes beim Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erheben.
Mit der Strahlenschutzvorsorge für die Polizisten, die am Castor zum Einsatz kommen, nimmt es Niedersachsen nicht mehr so genau. Bei den bisherigen Castor- Transporten wurden Frauen und Männer unter 18 Jahren nicht in unmittelbarer Nähe des Behälters eingesetzt. Nun gilt am Castor die Gleichberechtigung der Geschlechter. Auch Frauen sollen diesmal direkt am Castor laufen. Das Land begründet die entschärften Sicherheitsvorschriften damit, daß bei den bisherigen Castor-Einsätzen die Strahlenbelastung höchstens 20 bis 30 Prozent der zulässigen Jahresdosis erreicht hätte. Kritisch betrachtet, lag sie schon bei den letzten Einzeltransporten über dem Grenzwert. Jürgen Voges
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