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Prozesse in Den Haag drohen zu platzen

■ Kroatien und Serbien verweigern die Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal

Wien (taz) – Im niederländischen Den Haag drohen die ersten Kriegsverbrecherprozesse zu platzen: In zwei Fällen, dem Verfahren gegen den kroatischen General Tihomir Blaskić und dem serbischen Lageraufseher Dušan Tadić, gerät das Gericht in fatale Beweisnot: Da die kroatischen und serbischen Behörden hartnäckig jede Zusammenarbeit mit den UN-Ermittlern verweigern, könnte es zur Freilassung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher kommen – trotz eines relativ gesicherten Tatbestandes.

Im Fall des Kroaten Blaskić gehen die UN-Ermittler davon aus, daß der General 1993 persönlich die Operation „Lasva-Tal“ leitete. Demnach umzingelten kroatische Soldaten am 16. und 17. April des gleichen Jahres die Muslimen- Siedlung Ahmici im zentralbosnischen Lasva-Tal, sperrten auf Blaskićs Befehl 123 Kinder, Frauen und alte Männer in ihre Wohnungen ein und zündeten dann die Häuser an.

Wichtigste Grundlage für die Haager Ankläger sind abgefangene Funksprüche und Aussagen von Blaskić gegenüber UN-Kommandeuren, in denen er offen seine Verachtung gegen die „muslimischen Fanatiker“ äußerte.

Um Blaskić verurteilen zu können, müssen nach den Statuten des UN-Tribunals die Beschuldigungen durch die kroatischen Behörden bestätigt werden. Die kroatischen Behörden müssen bezeugen, daß sich Blaskić in diesen Tagen tatsächlich in Ahmice aufhielt oder ob eine Personenverwechslung vorliegt. Sie müssen auch angeben, ob die Funksprüche echt oder gefälscht sind. Doch zu beiden Punkten verweigerte das offizielle Zagreb in den vergangenen Woche eine Stellungnahme.

Daraufhin sandte das Tribunal eine Depesche nach Zagreb, in der der kroatische Verteidigungsminister Gojko Sušak aufgefordert wurde, in Den Haag zu erscheinen, um im Fall Blaskić auszusagen. Sušak konterte: Diese Vorgehensweise sei skandalös und eine „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kroatiens“. Das Dilemma für die UN-Ankläger: Falls sich Zagreb weiterhin stur stellt, muß Blaskić freigelassen werden, trotz erdrückender Indizien.

Ähnlich verhält es sich im Fall des mutmaßlichen serbischen Lageraufsehers Dusan Tadić im Internierungslager Omarska. Obwohl ihn mehrere Zeugen als Folterknecht erkannt haben wollen, droht auch dieser Prozeß zu platzen, denn die Aussagen eines einzelnen muslimischen Zeugen, Dragan Opacić, waren frei erfunden. Dieser hatte behauptet, Tadić bei Erschießungen gesehen zu haben, dabei war er nie in Omarska gewesen. Da die serbischen Behörden die Aussagen anderer Belastungszeugen weder bestätigen noch dementieren, könnte sich das Gericht gezwungen sehen, aufgrund „unklarer Aussagen“ Tadić freizulassen. Damit wäre in vierjähriger Tribunal-Arbeit nur ein einziger Kriegsverbrecher überführt.

Der 25 Jahre alte Soldat Drazen Erdemović hatte sich freiwillig bezichtigt, muslimische Gefangene standrechtlich erschossen zu haben. Dafür bekam der Kroate, der als Rekrut unfreiwilig in der serbischen Armee diente, eine zehnjährige Haftstrafe. Frei nach dem Motto: Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. Karl Gersuny

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