■ Der Castor wird zum Offenbarungseid des Atomstaates: Politisch nicht durchsetzbar
Haben die Vertreter der Atomlobby und der Bundesinnenminister eigentlich nie Asterix und Obelix gelesen? Sonst müßten sie doch wissen, daß man eine Region im Widerstand mit noch soviel Aufwand nicht befrieden kann. Die Endlagerung abgebrannter Brennstäbe war von Beginn an die Achillesferse des Atomprogramms. Auch die Atomlobby wußte, daß sie ohne eine Lösung dieses Problems eines Tages
den Offenbarungseid leisten müßte. Ihr Kalkül war es, daß eine Endlagerung des Atommülls im verschlafenen Wendland, damals noch Zonenrandgebiet, ohne Widerstand über die Bühne gehen würde. Ein Irrtum.
Die Elemente des Zaubertranks, die den Widerstand stark gemacht haben, sind schnell aufgezählt: eine in zwei Jahrzehnten gewachsene Widerstandskultur, zu der mittlerweile ganze Dörfer, Gemeinderäte, Schulen, Kindergärten und Berufsgruppen gehören, eine gut organisierte Bürgerinitiative, die alles andere als verschlafen ist, Unterstützung aus den umliegenden Großstädten Hamburg, Hannover und Berlin und bürgerkriegsähnliche Polizeiaufmärsche. Und auch die sture Arroganz der Atomlobby, die glaubte, man könnte die örtliche Bevölkerung kaufen. Resultat: Die Mehrheit der bundesrepublikanischen Bevölkerung lehnt die Castor-Transporte ab (80 Prozent laut letzter Umfragen).
Für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, die über genug Zwischenlagerkapazitäten verfügen, sind die Castor-Transporte zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls zwingend. Sie sind eine gewollte Machtprobe, provoziert von der Atomlobby und ihren politischen Helfershelfern, um – wie es heißt – den Rechtsstaat durchzusetzen, koste es, was es wolle. Wie hoch sollen die Kosten noch werden, bis Bundesinnenminister und Atomlobby endlich zur Besinnung kommen? Es geht schon längst nicht mehr nur um die 100 Millionen Mark für den größten Polizeieinsatz der Geschichte der Bundesrepublik – es geht vor allem um Demokratievertrauen. Offensichtlich nimmt man in Kauf, daß Tausenden von jungen Menschen und einer ganzen Region der Rechtsstaat notfalls mit dem Polizeiknüppel eingeprügelt wird. Dabei weiß man jetzt schon, daß sich auch dieser Polizeieinsatz als Bumerang erweisen wird und den Widerstand in der Region weiter anstachelt. Wie lange brauchen Atomlobby und Innenminister noch, um zu begreifen, daß die Endlagerung im Wendland „politisch nicht durchzusetzen ist“ (Ernst Albrecht)? Lothar Probst
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