piwik no script img

Bürger fordern Straßensperren

■ Weil Alba-Fans den Kiez ins Verkehrschaos stürzen, befürworten die Anwohner der Max-Schmeling-Halle ein Einreiseverbot für autofahrende Nichtanwohner

„Natürlich kann man ein Gitter um das Gebiet ziehen und einen Pförtner aufstellen“, spitzte der Vertreter der Senatsverkehrsverwaltung, Roland Schurig, die Diskussion um das Verkehrschaos im Kiez um den Falkplatz am Mittwoch abend zu. Die Anwohner der Max-Schmeling-Halle hatten bei einer Bürgerversammlung gefordert, die Straßen des Wohngebietes während der Großveranstaltungen zu sperren. Eine Absperrung ginge wohl zu weit, aber eine Lösung muß her.

Am Donnerstag abend spielten die Basketballer von Albatros gegen Barcelona – wieder ein Match in ausverkaufter Halle. Wie schon etliche Donnerstage zuvor brachen rund 9.000 Basketball-Fans über den Kiez am Falkplatz herein. Nun hatten oder haben jene Anwohner, die sich am Vorabend zu Wort meldeten, keine grundsätzlichen Aversionen gegen Alba oder sein Publikum. „Ich gehe mittlerweile auch sehr gern in diese Halle“, eröffnete mancher Ur-Einwohner seine Rede. Allein die Tatsache, daß noch immer gut zehn Prozent der Besucher zu den Spielen mit dem Pkw vorfahren, erzürnt die Kiezbewohner heftig. 900 Autos zusätzlich auf der Suche nach Parkplätzen unterwegs, sind einfach 900 Autos zuviel. Die in Prenzlauer Berg aktive Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. hatte schon lange vor Alba und der Eröffnung der Max-Schmeling-Halle ausgerechnet, daß die bestehenden etwa 2.500 Parkplätze in dem dichtbesiedelten Gebiet zu 105 Prozent ausgelastet seien. Jetzt, so erregen sich die Bewohner, verstopfen stundenlang Suchende die Straßen und verpesten die Luft, Autos werden auf Bürgersteigen und Grünflächen geparkt. Und die Alba- Spiele seien nur die Spitze des Eisbergs, bei geplanten mehr als hundert Veranstaltungen im Jahr werde der Kiez im Besucherverkehr ersticken. „Selbst im Gleimtunnel, der nach einer Notsanierung regelrecht verrottet“, so Herta Kunsche von der Betroffenenvertretung, „wird einfach geparkt.“ Die Anwohner würden selbst keinen Parkplatz mehr finden, aber dafür mit Strafzetteln bedacht, „wenn man sein Auto auch einfach irgendwo abstellt“. Michail Nelken, Sprecher der Betroffenenvertretung Falkplatz und Mitglied der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hatte schwer zu tun, keine erneuten Standortdiskussionen aufkommen zu lassen. „Die Halle ist da, sie ist Realität, wir müssen nach Lösungswegen suchen“, appellierte er an die Einwohner. „Die Politiker haben das Problem gemacht, also müssen sie auch dafür sorgen, daß es gelöst wird“, protestierten die Betroffenen.

Bezirksbürgermeister Reinhard Kraetzer (SPD) schien allerdings schlecht gelaunt und betonte, keine Lösung anbieten zu können. Solange sich Senatsverkehrs- und Umweltverwaltung stritten, würde die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs nicht wachsen. Sprich, die Anbindung der Straßenbahnlinie 20 bis hin zum Hauptbahnhof lasse zu lange auf sich warten. Auch aus der Zusage des Alba-Vizepräsidenten Peter Schließer zur Einführung eines Kombi-Tickets (BVG + Eintrittskarte) ab 1998, konnte Bürgermeister Kraetzer wenig Hoffnung schöpfen: Notorische Autofahrer werde es immer geben. Schließer dagegen glaubt an die Alba-Fans. „Das sind keine Krakeeler oder Randalierer.“ Es werde möglich sein, weitere zur Benutzung der Nahverkehrsmittel zu bewegen. Das Kombi-Ticket bringe dagegen andere Probleme: „1,50 Mark zusätzlich für einen Schüler, dessen Karte sonst fünf Mark kostet, sind sehr viel.“ Auch Benutzer von Umweltkarten würden doppelt geschröpft. „Die BVG“, so Schließer, „ist bei den Verhandlungen über Kombi-Tickets leider wenig entgegenkommend.“ Sprich, auch Alba kann das Problem nicht lösen. Vielleicht hätte die Polizei gekonnt, doch die war der Einladung der Betroffenenvertretung nicht gefolgt.

Auch die von Bürgern geforderte Einführung von Parkplatzgebühren im Kiez bürstete der Verkehrsexperte des Senats ab: „Das geht nur dort, wo mehr Parkplätze als anwohnende Nutzer vorhanden sind.“ Die Kiezvertreter mußten sich schließlich mit der Ankündigung von S.T.E.R.N. zufriedengeben, bis Anfang Mai im Auftrag des Bezirks Möglichkeiten zur Entspannung der Situation zu untersuchen. Der Ansturm auf den Kiez unterdessen wird nicht abreißen. Mit Spannung erwarten die Anwohner bereits die für den Herbst angekündigte Eröffnung des Multiplexes „Colosseum“ an der Schönhauser Allee. Klar, daß auch die pro Jahr erwarteten mehr als eine Million Kinobesucher nicht alle mit der Bahn anrollen werden. Kathi Seefeld

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen