■ Kommentar: Pieroths Ideenmangel
1960 packte der damals 26jährige Elmar Pieroth seine Sachen. Mit ein paar Freunden zog er nach Togo, um 2.000 Hektar Land urbar zu machen. Ein wahrer Existenzgründer! Was damals gut war, muß heute nicht mehr richtig sein. Besonders dann nicht, wenn der jugendliche Sturm und Drang zur Basis eines politischen Konzepts wird, mit dem ein Bundesland regiert werden soll. Die Arbeitslosenzahl ist im Februar auf den neuen Rekord von 253.000 Berliner gestiegen. Inoffiziell sind etwa 350.000 Menschen ohne ausreichende Beschäftigung. Für diese Misere ist Wirtschaftssenator Pieroth (CDU) mitverantwortlich.
Pieroths Programm läßt sich mit drei Begriffen beschreiben: Existenzgründung, Firmenansiedlung und Subventionen. Für Leute, die ihren eigenen Betrieb aufmachen, gibt Pieroth Hunderte von Millionen Mark aus. Freilich machen die meisten Existenzgründer nach einigen Jahren wieder dicht: Nicht jede Marktnische wirft ausreichend Gewinn ab. Bei auswärtigen Firmen redet der Senator sich den Mund fusselig, um sie an die Spree zu holen. Warum aber sollten sie kommen? Hier herrscht Mangel an gutausgebildeten Facharbeitern und die Hochschulen werden gnadenlos zusammengestrichen. Bleiben noch die Subventionen. Pieroth kann als Erfolg verbuchen, daß das alte Westberlin mittlerweile mit denselben Summen gefördert wird wie Ostdeutschland. Es bleibt jedoch der Verdacht, daß die Subventionsmentalität des Kalten Krieges nur in neuer Form weiterlebt. Pieroths Drei-Punkte-Programm taugt allenfalls als Mosaikstein eines Konzeptes, das weit darüber hinausgehen muß.
Man kann Pieroth nicht den gesamten Absturz der Wirtschaft in die Schuhe schieben. Es fehlen ihm aber moderne Ideen, die auf veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse und Probleme reagieren. Er könnte im Senat dafür werben, die Innenstadt für den Autoverkehr zu sperren. Das würde die Rahmenbedingung bieten für den Aufschwung der ohnehin wichtigen Verkehrsindustrie in der Stadt. Die Nachfrage nach neuen Bahnen, Bussen und elektronischen Leitsystemen könnte tatsächlich Betriebe zur Ansiedlung verleiten und die hiesigen Unternehmen zur Aufstockung ihrer Arbeitsplätze bewegen. Im Sozialbereich fehlt ein Gesetz zur Förderung gemeinnütziger Betriebe, die Tausende von Jobs etwa in der Altenpflege schaffen würden, wenn der Staat die Lohnnebenkosten übernähme. Die Privatwirtschaft muß an dem hohen Ziel, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, scheitern. Notwendig erscheint eine neue Verbindung von öffentlichem und privatem Wirtschaftshandeln. Hannes Koch
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