■ Ein äußerst ungewöhnlicher Fall für die Memminger Justiz: Pech für „Oklahoma-Smith“
Memmingen (taz) – Vor dem Landgericht Memmingen wird ab heute ein äußerst ungewöhnlicher Kriminalfall verhandelt; ungewöhnlich vor allem wegen der Umstände, die zwanzig Jahre nach der Tat eine Verhandlung überhaupt ermöglichen.
Angeklagt ist ein heute 39jähriger Amerikaner, der als „Oklahoma-Smith“ bekannt ist. Er soll am Aschermittwoch 1977 zwischen 22 und 23 Uhr einen 57jährigen Bahnbeamten aus Neu-Ulm erstochen und danach in die Donau geworfen haben. Doch dieses Verbrechen wäre ohne Zutun des berühmten „Kommissars Zufall“ nie aufgeklärt worden.
Der Angeklagte war Ende der 70er Jahre als Soldat in Neu-Ulm in einer Artilleriekaserne stationiert. Und hierher wollte er, wenn es nach ihm gegangen wäre, eigentlich niemals mehr zurückkehren. Jahrelang hatte er sich in den Vereinigten Staaten mit allen juristischen Mitteln gegen seine Auslieferung zur Wehr gesetzt – vergeblich. Schon einige Monate vor seinem Prozeß mußte der Ex-GI Charles Phillip Smith aus dem US- Bundesstaat Oklahoma eben doch wieder an seinen früheren Standort zurückkehren – und zwar in das dortige Gefängnis.
Eigentlich, sagt Oberstaatsanwalt Christian Fürle von der zuständigen Staatsanwaltschaft in Memmingen, sei der Fall ja schon zu den Akten gelegt worden. Schließlich hatte man damals einen Tatverdächtigen nach monatelanger Untersuchungshaft wieder laufen lassen müssen. Und das kam so: Ende März 1977 war an einem Flußkraftwerk die Leiche des 57jährigen Bahnbeamten Johann K., der durch 12 Messerstiche in Herz und Brust getötet worden war, aus der Donau gefischt worden. Man stieß schnell auf eine Spur, und die führte in eine der Neu-Ulmer US-Kasernen.
In mehreren Kneipen hatte sich der getötete Deutsche mit einem amerikanischen Soldaten herumgetrieben. Von diesem wurde ein Phantombild erstellt, die amerikanischen Behörden wurden eingeschaltet und irgendwann auch ein Verdächtiger verhaftet. Doch das war der falsche GI. Der Tatverdächtige mußte freigelassen werden, der Fall wurde zu den Akten gelegt.
Bei einem Familienfest in den USA erfuhr dann 1992 eine CID- Beamtin von ihrem Bruder, daß ihm ein Kollege der Neu-Ulmer Pershing-Einheit von einer brutalen Tat berichtet hatte. Er habe in Neu-Ulm einen Bahnsekretär mit zwölf Messerstichen getötet, nachdem dieser mit ihm homosexuelle Handlungen durchführen wollte, hatte der später als Oklahoma- Smith bekannt gewordene GI seinem Zimmerkollegen gestanden. „Dieser Zeuge wurde dann nach Deutschland vorgeladen, wo er seine Aussagen machte“, berichtet Staatsanwalt Fürle. Nach intensiven Ermittlungen in den Vereinigten Staaten wurde jener Oklahoma-Smith gefunden – inzwischen erneut verheiratet und Vater von vier Kindern.
Somit war endgültig klar: Der Täter war nicht der ursprünglich Verdächtigte, sondern jener Charles Smith, der schließlich 1995 in Amerika verhaftet werden konnte und im August 1996 an die Bundesrepublik ausgeliefert wurde. Seither sitzt der Ex-GI in der Justizvollzugsanstalt Neu-Ulm in Untersuchungshaft. Hartnäckig hatte zunächst auch er das Verbrechen bestritten. Bis er jüngst einem Sachverständigen vorgeführt wurde, dem er dann doch die brutale Tat gestand. Diese wiederum wäre im Februar 1997 verjährt, wenn nicht die Verjährungsfrist durch die Festnahme in den USA unterbrochen worden wäre. Zur Hauptverhandlung wird auch der einstige Kollege des Angeklagten aus den USA eingeflogen. Klaus Wittmann
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