: Startschuß für eine Vergleichsstudie
■ Der Berliner Mediziner Robert W. Gorter will im Mai mit einer medizinischen Studie beginnen, in der Cannabis auf seine Wirksamkeit hin geprüft wird
Nach monatelangem Warten erteilte die Bundesopiumstelle Anfang März endlich die Importerlaubnis für ein in den Niederlanden produziertes Cannabis-Sativa- Extrakt, das Professor Robert W. Gorter und sein Team für eine bisher einmalige Untersuchung benötigten: In einer großangelegten Vergleichsstudie will Gorter die Wirksamkeit von synthetisch hergestelltem THC und von natürlichem Cannabis Sativa auf Körpergewicht, Appetit, Übelkeit und Stimmungslage bei jeweils 360 Aids- und Krebspatienten wissenschaftlich nachweisen und miteinander vergleichen.
Aufgrund der fehlenden Importerlaubnis für das begehrte Naturprodukt mußte der geplante Beginn der Studie mehrmals verschoben werden. Ursprünglich war der Start der Untersuchung schon für November vergangenen Jahres vorgesehen. „Wenn jetzt nichts mehr dazwischenkommt, kann es im Mai hoffentlich losgehen“, sagt Gorter, Leiter des Instituts für onkologische und immunologische Forschung in Berlin-Moabit. Unter Leitung des Berliner Instituts soll die Versuchsreihe in mehreren deutschen und europäischen Städten zeitgleich stattfinden, unter anderem in Berlin, Hamburg, Bremen, Münster, Amsterdam, Wien und Barcelona.
Die Studie ist folgendermaßen aufgebaut: Über einen Zeitraum von zwölf Wochen werden die Teilnehmer zweimal täglich oral eine Kapsel einnehmen, von der sie nicht wissen, was in ihr enthalten ist: es kann entweder ein Cannabis-Sativa-Produkt („Cannador“), synthetisch hergestelltes THC („Dronabinol“) oder ein Placebo sein. Die beiden wirkstoffhaltigen Präparate enthalten jeweils 2,5 Milligramm THC. Patienten und Medikamente werden vor der Studie codiert, so daß selbst die vor Ort zuständigen Ärzte nicht wissen, welches der drei Präperate die Patienten jeweils einnehmen. Placebo-kontrollierte, doppelblinde Parallelstudie heißt das im Medizinerjargon.
„Mit der Studie sollen die jahrzehntelangen Erfahrungsberichte über eine Appetitstimulation durch Cannabiskonsum wissenschaftlich nachgewiesen werden“, erläutert Gorter. „Die zu erwartenden eindeutigen Resultate werden dann hoffentlich dazu beitragen können, die Vielfalt der therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis kranken Menschen legal zugänglich zu machen. Uns geht es um die Entkriminalisierung der Heilpflanze Cannabis.“ Gorter rechnet damit, daß sich das natürliche Präparat gegenüber der synthetischen Monosubstanz vor allen Dingen in puncto Verträglichkeit überlegen zeigen wird. „Erfahrungen in den USA zeigen, daß das synthetische THC durchaus wirkungsvoll ist und viele Patienten damit zufrieden sind“, sagt Gorter. „Aber Patienten, die sowohl mit der synthetischen Monosubstanz als auch mit Cannabis Erfahrungen gemacht haben, bevorzugen in der Regel das Naturprodukt, das neben THC insgesamt noch rund 300 weitere Wirkstoffe enthält. Außerdem ist das natürliche Cannabis wesentlich kostengünstiger zu produzieren.“
Die Studie wird rund eine Million Mark kosten. Die Finanzierung ist durch Spendengelder ermöglicht worden. „Gelder aus öffentlichen Kassen haben wir nicht bekommen“, so Gorter. „Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technolgie hat zu dieser Studie keinen Pfennig beigesteuert.“
Gorter hofft, die Studie bis Anfang 1998 ausgewertet zu haben und dann veröffentlichen zu können. Er geht davon aus, daß die Heipflanze Cannbis bei vielen schweren Krankheiten ergolgreich eingesetzt werden kann. Am Institut für onkologische und immunologische Forschung werden zur Zeit Studien vorbereitet, die die positive Wirkung von Cannabis auch bei Multiple-Sklerose-, Migräne- und Schmerzpatienten wissenschaftlich beweisen soll. Volker Wartmann
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