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Kämpferische Bauern

Bundesrat macht den Weg frei zur Tötung von über 5.000 Rindern. Protest gegen BSE-bedingte Schlachtungen von Schweizer Rindern  ■ Von Klaus Wittmann

Bonn/Memmingen (taz) – Andreas Blank steht in seinem Stall, versorgt noch eben die 34 Milch- und die 30 Jungkühe. Eine halbe Stunde später sitzt der 41jährige Unterallgäuer Bauer am PC und recherchiert im Internet. Die neuesten BSE-Forschungen ruft er ab: „Das bringt seuchenpolitisch gar nichts, das ist völliger Quatsch, was die da beschlossen haben“, kommentiert er.

Die da, das sind die Politiker in Bonn und das, was die beschlossen haben, ist die Umsetzung der BSE- Eilverordnung in eine Dauerverordnung. Von einem blödsinnigen „Schaugemetzel“ spricht Bauer Blank, und wer die Unterallgäuer Rinderhalter kennt, weiß, da braut sich was zusammen. 120 von ihnen haben sich jüngst getroffen: „Nicht mit uns“ war ihr Motto, und es wurde eine Resolution verabschiedet, für den Fall, daß „die tatsächlich mit diesem Massentöten beginnen“.

Sehr teure Tiere stehen in den Ställen der Züchter, genetisch enorm wichtig, um zu verhindern, daß wegen dieser künstlichen Befruchtung irgendwann einmal „die Inzuchtfalle“ zuschnappt. Die Schweiz habe das strengste Veterinärgesetz der Welt und die besten BSE-Forscher. Die hätten nur deshalb soviel gemeldete BSE-Fälle, weil man dort lückenlos prüfe und erfasse. Seine Dokumente bewiesen, daß keines der Schweizer Rinder aus BSE-Beständen stamme, sagt Bauer Blank. Viel strenger als in Deutschland seien die Tiermehlverbote, und viel früher sei der Einsatz von Tiermehl in der Schweiz eingeschränkt worden.

Von Freiwilligkeit, auf die der Freistaat Bayern setzt, wenn nächste Woche die Schlachtaktion auch hier anläuft, wollen die Landwirte um Andreas Blank nichts wissen. „Wir werden uns mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen, weil das nur eine Show ist, die dem Verbraucher eine Sicherheit vorgaukeln soll, die auf diese Weise nicht zu erreichen ist.“

Ähnliche Töne sind aus einer ganz anderen Ecke, nämlich aus der der Hochlandrinderzüchter zu vernehmen. Frust herrscht beim Sprecher der Züchter, Bernd Lassel, nach einem Treffen mit dem Bauernverband vor. „Im bayerischen Sozialministerium gibt es durchaus Personen, die die Problematik erkannt haben und heute die Sache wesentlich differenzierter sehen als früher. Doch was der Bayerische Bauernverband (BBV) treibt, ist schlichtweg unsäglich.“ So habe vor allem der BBV-Chef Gerd Sonnleitner vehement auf einen radikalen Schlachtkurs gedrängt. „Als ob der nicht sehen würde, daß mit dieser Schlachttour nur eine Marktbereinigung zu Lasten von extensiver Haltung und kleinbäuerlichen Strukturen erfolgen soll.“

Übelste Lobbypolitik unter dem Siegel des Verbraucherschutzes werde da betrieben, Bio- und Kleinbauern soll laut Lassel auf diese Weise endgültig der Garaus gemacht werden, denn das Tiermehl als Verursacher sei für den BBV überhaupt kein Thema. „Da reden die vom Bauernverband von letzter Konsequenz und solchen Schmarren“, sagt Lassel, „und einige der Herrschaften haben in ihren Ställen selbst Rinder aus Frankreich stehen. Dabei haben wir in Frankreich eine enorme BSE-Problematik, die bislang unter den Tisch gekehrt wurde.“ Die französischen Rinder seien lediglich aus der Diskussion herausgehalten worden.

Das „Große Schlachtfest“ wurde in den vergangenen Wochen generalstabsmäßig vorbereitet. Die meisten Rinder stehen im Regierungsbezirk Schwaben und hier wiederum im rindviehreichsten Landkreis der ganzen Republik, im Unterallgäu. Zuständig für die Massenschlachtungen ist der leitende Veterinärdirektor der Bezirksregierung von Schwaben, Dr. Frank-Dieter Schultze. Der allergrößte Teil der 2.370 bayerischen Rinder wird in der Tierkörperbeseitigungsanlage (TBA) Mering bei Augsburg getötet.

„Die Tiere werden hierher gebracht und in einem Kral gesammelt. Dieser Kral umfaßt etwa fünfzig Tiere und hat zwei Treibgänge. In diesen Treibgängen werden die Tiere dann mit Injektionen schmerzlos getötet.“

Bauer Blank hält das für puren Hohn. So schmerzlos wie immer dargestellt sei dieses Mittel T 61 nicht. Die Tiere würden zwar schnell, aber qualvoll ersticken. Wenn schon, dann müßten sie vorher betäubt werden. Aber das ist nicht vorgesehen. Schließlich soll die tägliche Verarbeitungskapazität von 150 Tieren voll ausgenutzt werden. Der Oberveterinär Schultze weiß, daß es eine ganze Reihe von Problemen mit den Tierärzten geben könnte. Eine enorme psychische Belastung sei diese größte derartige Tötungsaktion. Denn anders als bei der Schweinepest, wo Metzger die Tiere mit der Elektrozange umbrachten, geht es hier um Serientötung via Medikamenteneinsatz.

„Bei den Tierärzten handelt es sich um freipraktizierende, junge Veterinäre, die noch nicht in einer eigenen Praxis tätig sind. Eine weitergehende Betreuung durch die Regierung findet nicht statt. Wenn die Belastungen derart groß werden sollten, müßten sich diese Tierärzte selbst um eine Betreuung kümmern.“ Getötet werden soll immer vormittags, eingeteilt dafür sind für Mering zwei bis drei Veterinäre. Keine Akkordtötung soll das offiziell sein, „aber sie werden sicher zügig durcharbeiten“.

Auf die Frage, ob es ihn vor dem Tag X graut, meint der Chefveterinär: „Na, das ist eine sehr persönliche Frage. Ich weiß nicht, ob ich das unbedingt beantworten soll.“

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