: Grüne Schweine am Meer
■ Im kollektiven Kunstgedächtnis gespeichert: Ein Film über Leben und Werk des Malers Salvador Dali im Kino Lichtblick
Was war zuerst: der Stuhl oder das Wort dafür? Was war zuerst: Dali oder sein Name? Wer hätte gedacht, daß die wichtigste Referenz an diesen Künstler, Anarchisten, Monarchisten, Egomanen, Geschäftsmann, Katalanen, Clown, Filmemacher, Traumdeuter, Marquis, Kunstfälscher und Katholiken sich acht Jahre nach seinem Tod im Name-dropping erschöpft? Bei jedem Gespräch über Kunst, Wahnsinn und Genie kann er erwähnt werden. Ein paar Schubladen seines Werkes stehen immer offen. Seine Art zu malen (die weichgewordenen Uhren!) ist im kollektiven Kunstgedächtnis gespeichert, sein geschwungener, nach oben gezwirbelter Schnurrbart in dem feingeschnittenen Gesicht bekannt. Und was sonst noch?
Das Kino Lichtblick bietet derzeit die seltene Gelegenheit, diesen Magier des Narzißmus in Aktion zu sehen. In dem 1966 gedrehten Film von Jean-Christophe Averty „Salvador Dali – Soft Self Portrait“ inszeniert sich der Künstler in der idyllischen Umgebung seiner Villa am Meer in Port Lligat in Spanien zwischen grünen Schweinen und aus Kadavern geborenen Ziegen als eine aus einem Ei gesprungene Wi(e)dergeburt, als jemand, der schlafende Pianisten orgiastische Musik zum Gejaule von Katzen, die bis zum Hals in Holzkisten stecken, spielen läßt, und als einer, der die Zukunft einweihen wird. Welche Zukunft? Die, die man in der Weite des Meeres suchen muß, auf einem Boot mit Mast, Ruder und Steuer aus selbstgezimmerten Kreuzen.
Dali erschafft Rätsel, die auch er nicht versteht. In seinem Film führt Averty zentrale Aspekte aus Leben und Werk des Künstlers zusammen: seine Auseinandersetzung mit der Kindheit oder die Fixierung auf die heimatliche Landschaft beispielsweise. In vielen seiner Bilder tauchen die Felsformationen der Costa Brava auf. Er hat sie aus ihrem Zusammenhang gelöst, sie organisch werden lassen und die „Dinge, die hinter den Dingen sind“ aus ihnen herausgeholt. Der Kreislauf von Tod, Sexus und Gewalt, der Zwang, alles mit allem zu verbinden – mit rasanter Geschwindigkeit wird dies thematisiert und auch wieder verworfen. Der turbulente Lebensstil des Künstlers wird vorgeführt, und dank experimentierfreudiger Kameratechnik ist es möglich, die Vexierbilder, die aus seiner visionären Traumwelt und seinem exzentrischen Alltag zusammengesetzt sind, aufzulösen.
Am Ende des Films wird er viel, seine angebetete Muse, Frau und Managerin Gala aber kein Wort gesagt haben. Über seinen Kniefall vor Franco wird geschwiegen. Nur soviel sei verraten: Dali heißt auf katalanisch „Begierde“. Was war zuerst? Waltraud Schwab
Vom 22.3. bis 27.3. im Lichtblick, Wolliner Straße 19, Mitte.
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