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■ Interview mit dem Chef der Deutschen Shell AG, Rainer Laufs, über Nigeria, seine Pläne für regenerative Energien und Defizite in der Konzernkommunikation"Früher Alarm schlagen"

taz Die große Herausforderung für Shell liegt offenbar nicht in der Ölförderung oder im Tankstellengeschäft, sondern in Nigeria. Was können Sie für die nigerianische Opposition tun?

Rainer Laufs: Relativ wenig. Unsere Kollegen in Nigeria sind für das Geschäft dort verantwortlich, und wir sind hier verantwortlich. Hier in Deutschland müssen wir die Anforderungen der Gesellschaft verstehen und im Konzern weitergeben.

Warum übernimmt der Konzern keine Patenschaften für bedrohte Oppositionelle, etwa für einige der 18 Ogoni-Führer, die in nigerianischen Kerkern sitzen?

Es gibt keine Überlegungen, daß einzelne Shell-Gesellschaften solche Patenschaften übernehmen. Aber Shell hat inzwischen einen sehr engen Kontakt zu amnesty international. Außerdem hat der Konzern Mitte März die Menschenrechte in die Geschäftsgrundsätze aufgenommen. Meines Wissens ist Shell das erste multinationale Unternehmen, das so etwas gemacht hat.

1991 erklärte Shell zu Südafrika, daß Shell „entschieden gegen die Apartheid ist und für den Wechsel arbeitet“. Arbeiten Sie in Nigeria für den Wechsel, und wann sagen Sie das öffentlich?

Ich weiß, daß Shell intern eine Apartheid nicht gekannt hat, weder was Karrierechancen noch was Arbeitsbedingungen angeht. Shell hat deutlich gesagt, daß die Apartheid ihren Vorstellungen nicht entspricht. Heute machen wir auch in Nigeria in Gesprächen unmißverständlich klar, daß wir mit vielen Dingen nicht einverstanden sind.

Das vernimmt man aber nicht sehr deutlich.

Kein anderes Unternehmen in Nigeria hat sich so deutlich zu Menschenrechtsfragen geäußert. Was die Frage politischer Verantwortung angeht, gehen wir als Konzern durch einen Prozeß, und ich bin der Meinung, daß wir mehr Verantwortung haben, als wir bislang praktizieren. Zumal wenn wir in einem Land Interessen haben.

Sich zu vermitteln, scheint ein Problem zu sein für Shell. Wird das in der Konzernzentrale in Den Haag auch so gesehen?

Was mich bei meiner Arbeit in Den Haag fasziniert hat, war die Qualität unserer Projektplanung und Analysen. Leider wird weder über die gewonnen Erkenntnisse noch über die funktionierenden Projekte ausreichend gesprochen. Man redet einfach nicht darüber. Nicht im Konzern und nicht nach draußen. Das Defizit in der Kommunikation ist relativ groß gewesen, um nicht zu sagen immens.

Ein Beispiel.

Im Süden der Türkei in der Nähe von Diyarbakir hat Shell lange Jahre Öl gefördert und dabei mitgefördertes Wasser mit Regierungsgenehmigung und nach dem damaligen Stand der Technik in einen tiefen unterirdischen Wasserspeicher verpreßt.

Und so Trinkwasser verseucht.

Nein. Es hat erst später durch große Ignoranz in Diyarbakir selbst eine Verschmutzung des höher gelegenen Haupttrinkwasserreservoirs gegeben. Daraufhin hat man den tiefen Speicher angebohrt und dort eine Ölverschmutzung gefunden – wenn auch unterhalb der EU-Grenzwerte. Aber im Konzern hätten einige Leute früher Alarm schlagen müssen. Die interne Kommunikation muß besser werden.

Welche Projekte haben Sie sich für Ihren Antritt nächste Woche besonders vorgenommen?

Ich möchte, daß wir bei unserer Arbeit die Probleme nachhaltiger Entwicklung stärker angehen. Wir müssen, wie eigentlich alle Unternehmen, das Geschäft, die ökologische Situation und unsere gesellschaftliche Verantwortung in eine neue Balance bringen.

Was heißt das konkret – Klimaschutz, Luftreinhaltung?

Erst mal neue Qualitätsziele erarbeiten. Dann werden wir über diese Ziele und über den Stand bei ihrer Erfüllung berichten.

Bitte konkreter.

Wir sind auch ein Technologiekonzern und entwickeln unsere eigene Fördertechnologie. Wir fördern heute mit Kosten und einer Umweltbelastung, die nur noch 40 Prozent von dem ausmachen, was vor 10 oder 12 Jahren üblich war. Beim Bohren etwa können wir heute den gesamten Bohrschlamm wieder in die Erde zurückpressen.

Und an Land?

In unseren Raffinerien haben wir den Energieverbrauch und die Emissionen deutlich verringert. In der Raffinerie Godorf bei Köln zum Beispiel haben wir den spezifischen Energieeinsatz pro Tonne Benzin oder Heizöl um rund 25 Prozent reduziert. Und hier in unseren Labors in Hamburg-Harburg laufen viele Prototypenmotoren der Autoindustrie, um unser Wissen für einen geringeren Verbrauch und geringere Emissionen zu nutzen.

Eine Erhöhung der Mineralölsteuer würde für die ökologische Balance sicher Anreize bieten.

Lassen Sie mich eine Stufe früher anfangen, bei Energiesteuern generell. Energiesteuern sollen helfen, den Energieaufwand zu verringern und die Umwelt möglichst wenig zu belasten. Wenn das gleichmäßig gemacht wird, in Deutschland, in Europa und global, wo unsere Wettbewerber aktiv sind, habe ich keine Probleme.

Das sind recht viele Wenns...

Sie haben recht. Aber die Besteuerung von Energie ist derzeit völlig willkürlich und verzerrt den Wettbewerb. Nehmen Sie das deutsche Beispiel. Auf Benzin haben wir die höchste Steuer, auf Diesel eine hohe und auf Heizöl eine deutliche Steuer. Für Kohle haben wir keine Steuern, sondern eine Subvention. Ökologisch betrachtet, also nach der Verschmutzung je Energieeinheit, ist die Kohle der schlechteste Energieträger, und der wird nicht besteuert, sondern sogar subventioniert. Aber auch ohne Steuerdebatte müssen wir uns um langfristige Nachhaltigkeit mehr kümmern.

Auch ohne Mineralölsteuer wird Shell das größte deutsche Solarunternehmen im Jahr 2020?

Ich würde nicht sagen das größte, aber ihre Stichelei ist gar nicht so abwegig. Bei der Photovoltaik müssen Sie eine effiziente Umsetzungstechnologie haben, in großem Rahmen produzieren können und richtig gut vermarkten. Vermarkten können wir, mit der Produktion in großem Maßstab haben wir Erfahrungen, und wenn man in der Solarzellenproduktion das teure Silizium ersetzen könnte, dann wäre das schon was.

Das hört sich theoretisch an.

Shell hat mit der Praxis schon begonnen. Zum Konzern gehört beispielsweise die holländische Renewable Energy Systems, die seit neuestem als Shell Solar Energy firmiert. Das Unternehmen hatte sich sogar um Lieferungen für die Photovoltaikanlage am Greenpeace-Lager in Hamburg beworben – leider ohne Erfolg.

Und andere regenerative Energien?

Shell hat heute 150.000 Hektar Forst, in denen Biomasse für die Energiegewinnung produziert wird, in Brasilien und Neuseeland vor allem. Und wir sind dabei, mit Kraftwerksherstellern Anlagen für Energie aus Biomasse zu testen. Außerdem hat Shell die Technik zur umweltfreundlichen Kohlevergasung in Europa zur Marktreife geführt.

Sind denn Biomassen-Kraftwerke auch in Europa vorstellbar? Wo Sie Gasleitungen haben und einen Überschuß an Gas, können Sie mit der Biomasse nicht konkurrieren. An der irischen Westküste oder an der spanischen Nordwestküste hingegen ist eine solche Konkurrenz durchaus vorstellbar.

Menschenrechte, Solarzellen, Biomasse. Vor knapp zwei Jahren hat die Shell in einer großen Anzeigenserie für sich geworben: „Wir werden uns ändern.“ In einem Satz, was bedeutet das für den neuen Shell-Chef 1997?

Heute hören wir zu, bevor wir entscheiden.

Interview: Hermann-J. Tenhagen

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