■ Kolumne: Futter für den Echo
Deutschland ist mal wieder eine Nummer toller geworden. Der Ami mag seinen „Grammy“haben, der Engländer den „Brit Award“, aber wir können jetzt auch zeigen, was wir für eine großartige Musiknation sind. Denn jetzt gibt es ja das oder besser den „Echo“.
Nun kann man sich natürlich fragen, wie es um eine Musiknation bestellt ist, die als besten „Künstler national“niemand außer Peter Maffay vorzuweisen hat, als „Produzenten national“auf einen TV-Trottel wie Stefan Raab zurückgreifen muß und Frank Farian für sein „Lebenswerk“auszeichnet, dessen Band Milli Vanilli der „Grammy“immerhin seinerzeit wegen Playback-Betrugs nachträglich aberkannt wurde.
Man könnte zum Vergleich aufführen, daß die „Brit Awards“in vergleichbaren Kategorien an George Michael, John Leckie und die Bee Gees gingen. Oder man könnte einwenden, daß die „Grammys“in unzähligen stilistischen Nischen vergeben werden: „Best Polka Album“, „Best Spoken Word Album For Children“oder „Best Southern Gospel, Country Gospel or Blue-grass Gospel Album“. Die deutsche Musikindustrie interessiert all das (nämlich Musik) nicht, sie prämiert stattdessen lieber den „Handelspartner“und die „Marketingleistung“des Jahres .
Aber das hat den einfachen Grund, daß der britische und der US-amerikanische Preis in erster Linie noch immer aufgrund künstlerischer Leistungen verliehen werden - auch wenn sich die „Grammy“-Jury mit der Auszeichnung Celine Dions dem „Echo“-Niveau schon beängstigend angenähert hat. Der deutsche Preis wird hingegen, das wird offen zugegeben, für „Erfolg“, sprich: verkaufte „Einheiten“, vergeben.
Daß Deutschlands Musikindustrie in ungewohnter Einheit über ihren schicken Preis glücklich ist, wundert da nur wenig. In ihren halboffiziellen Zentralorganen, dem Musikmarkt und der Musikwoche, wird sich denn auch eifrig entrüstet, daß es der Spiegel wagte, einen „Spielverderber“über die Angelegenheit schreiben zu lassen. Daß die Veranstaltung für sarkastische oder gar hämische Artikel soviel Futter bot, daß sogar der naivste Praktikant zum Uwe Kopf geworden wäre, scheint niemandem aufgefallen zu sein.
Stattdessen freut sich ein einstmals kritischer Geist wie der früher als Spezialist für elektronische Avantgardemusik bekannte Musikkritiker Manfred Gillig-Degrave in der Musikwoche , deren Chefredakteur er mittlerweile ist, „schon auf die nächste Gala, dann vielleicht mit Thomas Gottschalk als Moderator und mit einer Schlußszene, bei der sich alle Preisträger noch einmal auf der Bühne den Fotografen und Fans stellen“.
P.S.: Danke an Peter Heck für das Geld, alles vergeben und vergessen. Und der Gniedel-Tip des Monats: David Murrays Dark Star – The Musik Of The Grateful Dead.
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