: Strafe für Priebke – zweiter Versuch
Beim Revisionsprozeß über die Geiselerschießungen in den Ardeatinischen Höhlen 1944 steht nun auch Leutnant Karl Hass vor Gericht – ein Skandalurteil wie 1996 scheint schwieriger ■ Aus Rom Werner Raith
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und unter Ausschluß der Fernsehkameras hat am Montag vormittag die Revisionsverhandlung im Prozeß um die Erschießung von 335 Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen am 24.März 1944 begonnen. Angeklagt ist diesmal nicht nur der ehemalige SS-Führer Erich Priebke, 82, seinerzeit enger Mitarbeiter des wegen der Morde nach dem Krieg zu lebenslänglich verurteilten SS-Obersturmbannführers Herbert Kappler, sondern auch der ehemalige Leutnant Karl Hass, 84.
Das Militärtribunal – das nach längerem Hin und Her vom Kassationsgericht erneut zur Urteilsfindung berufen wurde – hat darüber zu befinden, ob der Spruch aus der ersten Instanz Bestand haben kann: Darin war Priebke zwar des vielfachen Mordes für schuldig befunden, gleichwohl aber nicht verurteilt worden. Denn die Militärrichter hatten dem Angeklagten einige mildernde Umstände zugestanden, so etwa, daß es sich bei den Erschießungen um eine Repressalie für ein Partisanenattentat gehandelt hatte und Priebke möglicherweise in Befehlsnotstand gehandelt habe.
Genau diese Milderungsumstände bewirkten dann aber, daß die Straftat als Ganzes als verjährt anzusehen war. Das Oberste Gericht hatte diese Version jedoch nicht gelten lassen und das Verfahren zur Neuverhandlung an eine andere Sektion der unteren Instanz zurückverwiesen.
Diese Entscheidung macht es nun auch möglich, daß Karl Hass ebenfalls in diesem Verfahren belangt werden kann: Der ehemalige Offizier war erst während des ersten Prozesses aufgetaucht – er hatte als verstorben gegolten, obwohl er jahrzehntelang auch Mitarbeiter des italienischen Geheimdienstes gewesen war und unter seinem richtigen Namen zuerst in Italien und dann in der Schweiz lebte. Bei der ersten Einvernahme durch den Staatsanwalt hatte er Priebke schwer belastet, in der Nacht vor seiner Aussage im Prozeß jedoch einen Fluchtversuch unternommen. Seither haben die Ermittler immer mehr belastendes Material auch über seine aktive Teilnahme an dem Massaker gesammelt.
Aus Angst vor Attentaten hat das Gericht seinen Sitz in einen der bestgeschützten Verhandlungssäle Italiens verlegt: in den Hochsicherheitstrakt des römischen Gefängnisses von Rebibbia. Dorthin freilich müssen die Angeklagten immer erst einmal gekarrt werden – beide leben außerhalb der Knastmauern in „Hausarrest“. Erich Priebke hat es sogar besonders romantisch: in einem Mönchskloster über den Dächern von Frascati, von wo aus der ehemalige SS- Mann eine herrliche Aussicht über Rom genießt.
Angehörige der Opfer, die sich als Nebenkläger konstituieren wollen, zeigen sich diesmal, im Unterschied zur ersten Instanz, mit wesentlich größerem Vertrauen in die Justiz – auch wenn die Anklage noch immer von jenem Staatsanwalt vertreten wird, der sich vordem als besondere Nullnummer erwiesen hat. Doch die Vorgabe des Revisionsgerichts ist zwingend: In dem neuaufgelegten Verfahren müssen viel mehr Zeugen und Sachverständige gehört werden als in der ersten Instanz. Ein „Skandalurteil“ wie im vorigen Jahr scheint nicht mehr so leicht möglich.
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