: Gangstarap ist out. Gangstacomics werden hoffentlich gar nicht erst in. Zwei Fallbeispiele
Der Krimi ist ein Säbelzahntiger unter den Genres: beeindruckend, furchterregend, aber irgendwie auch ein Relikt aus der Zeit, wo die Guten noch gut und die Bösen böse waren. Der Krimi ist tot. Also finden sich Leute, die ihn beleben wollen. Barry Gifford ist bekannt geworden durch sein Drehbuch für den David- Lynch-Film „Wild at Heart“. Isabella Rosselini spielt darin Perdita Durango. Dieser weibliche Macho hatte es Gifford angetan, und er schrieb „Perdita Durango“ als Fortsetzung zu „Wild at Heart“, die jetzt auch als Comic vorliegt. Fahren, ficken, saufen, schießen, hexen; die Handlung wird bei Gifford durch Tätigkeiten, nicht durch Psychologie vorangetrieben. Lynch hat dafür exzentrische Bilder und einen eigenen Rhythmus gefunden. Scott Gilles hingegen zeichnet vorwiegend im Goldenen Schnitt eine Reihe statischer Einzelbilder. Giffords Text ist eine wütende Darstellung von White Trash, bei Gilles wird es zur trockenen Aufzählung. Die Pulp-Motivation von Gifford, etwa das Vietnamtrauma oder die Vorbildfunktion von Burt Lancaster in „Vera Cruz“, wird brav nachgezeichnet. Keine Schocks, keine Überraschungen. „Stray Bullets“ von David Lapham versteht sich als Autorencomic. Es wird gefahren und geschossen. Gezeichnet ist das in effektvollen schwarzweißen Panels. Prompt jubelte die „Woche“: „,Stray Bullets‘ ist der ,Pulp Fiction‘ der Comics.“ Tatsächlich sind die Verweise auf Tarantinos Filme überdeutlich. Nur: Tarantino nimmt seine Filme nicht ganz ernst. Lapham hingegen versteht seinen Comic als Therapie. Ein Imbißmassaker, ein Polizistenmord, ein Kumpelmord – und das Ganze angereichert mit öder Psychologie. Nie war ein Massenmörder so langweilig. Nur noch peinlich ambitioniert wirkt da die Beifügung echter Polizeifotos, die Lapham mit elf Jahren zeigen, und eines weinerlichen Autorennachworts. Gangstarap ist out, Gangstacomics werden hoffentlich gar nicht erst in. Krimis funktionieren gerade noch als spielerisch-ernste Remakes, als ausgestopfte Säbelzahntiger. Nur noch langweilig sind sie, wenn sie ernst genommen werden.Martin Zeyn
Barry Gifford/Scott Gillis: „Perdita Durango“. Rowohlt 1997, 16,90DM
David Lapham: „Stray Bullets“. Feest Comics, 7,80DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen