Wand und Boden: Eine schöne Blonde, selbstverständlich in Pastell
■ Kunst in Berlin jetzt: Julije Knifer, Werner Klotz, Jörg Lange, Pia Dehne
Der Begriff der Obsession ist heute bekanntlich im Besitz von Calvin Klein, einem Künstlerkollektiv, das das Bild der Welt fürsorglich, aber herrschsüchtig in seine Obhut genommen hat. Auch dem Begriff der Ewigkeit, Eternity, hat das Klein-Kollektiv sein Bild gegeben, das nebenbei auch immer das eines Produkts ist. Tröstlich, auf Widerstand zu stoßen. Die antike, archteypische Bildformel für die Ewigkeit jedenfalls ist der Mäander, die symbolische Abstraktion des windungsreichen Verlaufs des Flusses Menderes im heutigen Westanatolien.
Das fortlaufende Prinzip des Mäanders hat der kroatische Maler Julije Knifer zu seiner Obsession gemacht. Seit 1960 malt er nichts anderes als diesen geometrischen Rapport. Interessanterweise sieht er im Verlauf der Jahre immer anders aus, obwohl die Varianten naturgemäß beschränkt sind und der Künstler selbst sie zusätzlich eingeschränkt hat, indem er den Mäander ausschließlich in Schwarz und Weiß auf die Leinwand oder das Papier fixiert. Als Wandbild, 1979 im Foyer des Studentski Centar Zagreb, hat er – wie in einem Katalog zu sehen ist – die typisch wuchtige und tendenziell typographische Ausstrahlung der verdämmernden Op-art dieser Zeit. Nur zwei Jahre später ist er auf dem großen Triptychon von 1981, das nun den ersten Raum der Busche Galerie beherrscht, sehr viel abstrakter geworden. Die Binnenstruktur aus schmalen schwarzen Winkeln und großen weißen Rechteckflächen wirkt plötzlich elegant und schlank. Wenn Knifers durch Zeit, Raum und neun weitere Acrylgemälde und Papierzeichnungen wandernde, mal schwarze, mal weiße Linie auch Berühung mit dem Neokonstruktivismus, der Minimal- und Hard- Edge-Malerei zeigt, dann weil der Künstler, der heute in Paris lebt, als Mitbegründer der Gruppe Gorgona in den 60er Jahren in persönlichem Kontakt zu Vertretern der internationalen Avantgarde wie Fontana, Manzoni, Diether Roth oder Robert Rauschenberg stand.
Bis 26.4., Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr, Wielandstraße 34
Gleich um die Ecke, in der Galerie Andreas Weiss, spielt ein anderer Künstler eine andere Obsession aus: Glas und verspiegeltes Glas. Auch Werner Klotz bringt in „Dionysos Lounge“ antike Orte ins Spiel, an denen dieser Sohn des Zeus einstmals huldreich weilte. Doch trotz dieser Zuschreibung, nach Bacchanalien sieht der Galerieraum nicht aus. Zu sauber sortiert stehen die elf beschrifteten und versilberten Flaschen in der Glas/Spiegel-Vitrine; mit den sechzehn gravierten und teilversilberten Gläsern in einer weiteren Vitrine verhält es sich nicht anders, selbst wenn sie zerbrochen sind. Ein bißchen Wunderkammer und ein wenig Labor ist der Eindruck der Installation. Neben den Schaukästen und Glastruhen finden sich nämlich auch sogenannte „Wahrnehmungsinstrumente“. Hier führen dann zwei gläserne Okulare in einen verspiegelten Würfel. Schaut man rein, sieht man sich selbst sehenden Auges: „Intellektuellenfalle“ heißt das Gerät nicht zu Unrecht. Wenn einen das eigene Auge scheinbar tausendfach anglotzt, wird es einem schon ein bißchen schwummerig. Freundlicher sind die parallel angeordneten Spiegeltüren, in denen man sich nach links wie nach rechts unendlich oft sehen kann – wie man in sie hineinschaut. Schwenkt man die Türen, bekommt die Iteration eine hübsche Kurve. Eine unerwartete Biegsamkeit der Räume, die Klotz baut, spiegelt oder mit dem Videomonitor in Bewegung setzt, rechtfertigt dann doch den Verweis auf den trunkenen Gott. Am Ende dient die spielerische Verführung klar der alten Wahrheitsfrage: Was sehen wir, wenn wir sehen? Die Welt, ihr Abbild oder uns selbst?
Bis 26.4., Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–15 Uhr, Leibnizstraße 45
Der „Planet Berlin“, der in der Galerie Vierte Etage von der Decke hängt, könnte ebenfalls Dionysos gewidmet sein. Zumindest hat ihn Jörg Lange aus leeren Flaschen konstruiert, die er mit Hilfe einer Plastikplane in eine Kugelform brachte. Ein wenig erinnert der graue Ballon mit seiner Planet-Typographie aus Aldi, Penny und anderen Supermarkttüten auch an den Stern des Kleinen Prinzen, weil die Flaschenhälse wie Vulkane aussehen. Und etwas von Saint-Exupérys wortwörtlicher Konzeptkunst, die zu hübschen Schlapphüten, simplen Kisten und ähnlichen Realien führte, die aber eine gänzlich andere Realität repräsentierten, muß auch Jörg Lange bewegen. Jedenfalls baute er ziemlich komische Skulpturen, zum Beispiel ein „Himmeldonnerwetter“, das aus einem weichfallenden, dekonstruierten Autohimmel besteht, aus dem in Blitzform gebogene Autoantennen auf den Betrachter niederfahren. Oder er läßt für eine entenfüßige Person die entsprechenden, viergezackten Maßschuhe anfertigen. Schön ist auch „Land unter“, ein aufgebauschter, gelber Friesennerz, aus dem die Spitzen von neun grünen Regenschirmen wie Kakteen spriesen, wobei sie eigentlich die Halligen vertreten. Aber so bewundernswert der Erfindungsreichtum Langes ist, die Fallhöhe zwischen Objekt und Konzept scheint etwas zu gering. Eine gewisse Gleich-Gültigkeit der Objekte läßt die Spannung im Rundgang erlahmen.
Bis 24.5., Di.–Fr. 15–19, Sa. 14–17 Uhr, Bregenzer Str. 10
Meisterschülerin von Markus Lüpertz gewesen zu sein, ist eine Sache, von der man sich erst einmal wieder erholen muß. Zumindest ist man als Betrachterin verführt, Pia Dehnes malerische Paarung mit anderen Größen aus Kunst und Literatur als eine Art Therapie zu interpetieren. „Ich und Du“ bei Art 5 III Galerie Inge Herbert zeigt die Künstlerin Arm in Arm mit der amerikanischen Lyrikerin Anne Sexton, mit dem österreichischen Schriftsteller Konrad Bayer auf dem Sofa oder hingebungsvoll über den französischen Theoretiker des Theaters, Antonin Artaud, gebeugt. Pia Dehne setzt die Farbe relativ opak auf den Bildgrund, Bayer oder Blinky Palermo werden in dunklen Nuancen deutlich, während Artaud und Mickey Spillane – den die Künstlerin mit einem Ellbogencheck außer Gefecht setzt – in Pastellfarben geradezu überiridisch erstrahlen. Das ist hart am Rande zum Kitsch, gleichzeitig aber auch eine selbstbewußte Wahrnehmung ihres eigenen Typs. Eine schöne Blonde kommt in Pastell eben gut. Überhaupt ist ein gewisser Eigenwille unverkennbar, und so ist es nicht das Anliegen der Doppelporträts, den berühmten Partner in einem Werkzitat zu fassen. Das Gemälde ist allein Dehnes Wunschmaschine.
Bis 17.5., Di.–Fr. 15–19, Sa. 11–15 Uhr, Motzstraße 9
Brigitte Werneburg
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