: Grünen-Vorstandssprecher greift den Atommüllkonsens scharf an
■ Massive Kritik an der SPD. Trittin bezeichnet Zustimmung der rot-grün regierten Länder weiterhin als „unvorstellbar“
Hannover (taz) – Mit Worten wie „Verarschung“ oder Kurs der „totalen Konfrontation“ hat Grünen-Vorstandssprecher Jürgen Trittin am Wochenende jene Einigung über die Atommüllentsorgung kritisiert, die sich bei Konsensgesprächen zwischen SPD und Bundesregierung abzeichnet.
Vor allem der SPD warf Trittin auf dem Parteitag der NRW-Grünen einen Konfrontationskurs vor und präsentierte zum Beleg ein neues, auf Beamtenebene zwischen Bundesregierung und SPD ausgehandeltes Konsenspapier. Auf Grundlage der in dem Papier enthaltenen Vorschläge hatten sich die Bundesminister Angela Merkel, Friedrich Bohl und Günter Rexrodt zumindest in der Frage der Atommüllentsorgung mit den SPD-Politikern Gerhard Schröder und Franz Müntefering geeinigt. Strittig blieb in der Konsensrunde vor allem die Frage der Entwicklung einer neuen Reaktorlinie. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt verlangte eine explizite Zustimmung der SPD zu der neuen Reaktorgeneration.
Den Zorn des Grünen-Vorstandssprechers Trittin erregte dieser neueste Einigungsvorschlag, weil er weiterhin auf einer umfassenden Übereinkunft zwischen Bundesregierung und SPD beim Atommüll beharrt. So enthält auch die letzte Version des Konsenspapiers die Erweiterung des Zwischenlagers Ahaus und die Verlängerung der Betriebszeit des Endlagers Morsleben durch eine Änderung des Atomgesetzes.
Trittin hatte kürzlich gegenüber der taz noch die Hoffnung geäußert, daß eine Konsensvereinbarung nur Auswirkungen in Niedersachsen und einigen süddeutschen Ländern haben werde und die rot- grün regierten Länder nicht tangiere. Das von Trittin jetzt scharf angegriffene Konsenspapier sieht dagegen vor, daß die Verständigung zwischen Bundesregierung und SPD durch einen „Beschluß der Regierungschefs des Bundes und der Länder“ verbindlich gemacht wird. Damit hätten die Ministerpräsidenten der rot-grün-regierten Länder den Konsens zwischen SPD und Bundesregierung abzusegnen. Dies hat Trittin als „unvorstellbar“ bezeichnet.
Für die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen birgt das Ergebnis der Konsensrunde vom vergangenen Donnerstag zusätzlichen Sprengstoff. Die Bundesminister und SPD-Politiker haben in dieser Runde vor allem Einvernehmen über die Zwischenlagerung erzielt. Das Zwischenlager Gorleben soll nun ab sofort nur noch abgebrannte Brennelemente aus norddeutschen Atomkraftwerken und für hochradioaktiven Müll aus der Wiederaufarbeitung vorgesehen sein.
Neue Zwischenlagerkapazitäten an den Kraftwerksstandorten in Süddeutschland sollen allerdings offenbar erst nach der Jahrtausendwende geschaffen werden. Transporte mit abgebrannten Brennelementen aus süddeutschen AKWs sollen bis dahin ins Zwischenlager Ahaus gehen. Vor allem aus dem AKW Neckarwestheim ist ein erster Brennelementtransport nach Ahaus im Gespräch. Das von Trittin präsentierte Konsenspapier sieht auch eine umfassende Novellierung des Atomgesetzes vor. Auch eine Enteignungsklausel zur Errichtung von Endlagern ist in dem Konsensvorschlag immer noch enthalten. Jürgen Voges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen