: Kein Sonderrecht für Ehemänner
Gruppenantrag im Bundestag zur Vergewaltigung in der Ehe. Verzicht auf Widerspruchsklausel. Druck von außen beförderte Frauenkoalition. Abstimmung erfolgt im Mai ■ Von Ute Scheub und Vicki Ebermann
Es sieht ganz danach aus, als ob ein Vergewaltiger im Ehebett in Zukunft rechtlich nicht mehr milder behandelt würde als ein Vergewaltiger im Park. Die ursprünglich im neuen Vergewaltigungsparagraphen vorgesehene Widerspruchsklausel hat wohl keine Chance mehr. Sie hätte zur Prozeßeinstellung geführt, wenn eine vergewaltigte und danach womöglich von ihrem Mann unter Druck gesetzte Ehefrau ihre Anzeige zurückgezogen hätte. Ein von 164 Abgeordneten unterschriebener interfraktioneller Gruppenantrag ohne Klausel, der gestern in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde, hat beste Chancen, Mitte Mai eine parlamentarische Mehrheit zu erhalten. Zustimmen werden nicht nur SPD, Grüne und PDS, sondern auch eine ganze Anzahl weiblicher Abgeordneter von CDU/CSU und FDP.
Taktisch geschickt hatten Ulla Schmidt (SPD) und Irmingard Schewe-Gerigk (Bündnisgrüne) Mitte März den Gesetzentwurf der Regierungskoalition, allerdings ohne Widerspruchsklausel, als Gruppenantrag vorgelegt. Damit ebneten sie den Frauen aus CDU und FDP den Weg, dem Antrag zuzustimmen.
Aber auch in deren Reihen gab es Aktivistinnen, die sich nicht jeden Quatsch aus der regierenden Männerriege gefallen lassen wollten. Die CDU-Finanzstaatssekretärin Irmgard Karwatzki sorgte für einen eindeutigen Beschluß der NRW-Frauenunion: „Die Widerspruchsregelung ist eine deutliche Mißachtung der Frauen, denen von ihren Ehemännern die schlimmste Form der Gewalt angetan wurde. Die Erfahrung zeigt, daß ein brutaler Ehemann nicht untätig zusehen wird, wenn seine Frau ihn angezeigt hat. Die Möglichkeit der Straffreiheit fordert die Täter geradezu heraus, ihre Ehefrauen zum Widerspruch zu zwingen.“
Dieser klare Bescheid und eine unerwartete Protestflut selbst so konservativer Vereinigungen wie der Landfrauen sorgte dafür, daß die Unionsspitze in der letzten Woche den Fraktionszwang aufhob. Nun unterschrieb zur Überraschung vieler sogar Bundesfrauenministerin Claudia Nolte (CDU). Die Widerspruchsklausel, für die sie sich früher immer eingesetzt hatte, sei „zweitrangig“, ließ sie nunmehr verlauten. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, spottete die FDP-Abgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nach der Debatte in eine laufende Kamera. Die Frauenministerin habe „nicht zu spät sein wollen“, obwohl sie zuvor „den Schutz der Ehe über die Gleichstellung der Frau“ gestellt habe.
Gleichwohl ließen sich die Initiatorinnen der neuen interfraktionellen Frauensolidarität gestern von Vorfreude auf den absehbaren Sieg tragen. Die Grüne Schewe- Gerigk sprach von einem „Lehrstück in Sachen Demokratie“. „Geschlecht darf nicht mehr vor Recht gehen“, befand SPD-Frau Ulla Schmidt. In einer Frage sind sich die beiden allerdings nicht ganz einig: Wie soll frau mit dem ebenfalls zur Abstimmung stehenden Paragraphen umgehen, wonach die Vergewaltigung von „Widerstandsunfähigen“, also geistig oder körperlich Behinderten, milder bestraft werden soll? Die Grüne will auch diesen Passus umformuliert sehen, während die SPDlerin auf eine spätere Änderung setzt, um den Gruppenantrag nicht zu gefährden.
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