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Metzger, Baß und Popcornparty

■ Theater meets Techno: „Headstate“feiert auf Kampnagel

Nur für den Kick, nur für den Augenblick? Clubereignis statt Theatererlebnis. Die Bühne eine blaue Tanzfläche voller Popcorn, grünschimmernde Stoffbahnen begrenzen den Raum zu einer Art durchsichtigem Käfig. Und mittendrin die zahlreich erschienenen Zuschauer, die wie Gäste einer Technoparty zwischen den Schauspielern umherwandeln oder besser tanzen sollten, was allerdings keiner tat. Theater meets Techno: Unter diesem Motto könnte Headstate stehen, das Donnerstag im Rahmen des Junge Hunde-Festivals auf Kampnagel aufgeführt wurde.

Das Stück, das da erzählt wurde, war eigentlich eher nebensächlich. Es handelt vom Metzger Martin, der zweifachen Mutter Tina, der Liebesdienerin Mickey und dem unbeweibten John. Sie alle hängen in Edinburgher Clubs herum und sind irgendwie alle ziemlich kaputt und außerdem auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Irvine Welsh (Trainspotting) dachte sich Headstate aus, Matthias von Hartz hat es als poppige Party inszeniert.

Was die in schrille Plastikklamotten und bunte Filzhaarperücken gesteckten Schauspieler so in ihre Mikrofone sprachen, war akustisch schlecht zu verstehen – egal, die permanent wummernde Techno-Musik im Untergrund kam richtig gut. Warum Mickey als Leiche auf dem Tisch lag und Tina ihre Kinder verkauft hat, kapierte wohl keiner so recht – egal, wir Partygäste folgten Martin, Tina, Mickey und John brav von einer Ecke des Stoffkäfigs in die andere, damit wir engen Anteil an ihrem Leid nehmen konnten, ob sie nun HIV-positiv waren oder das Schicksal keine Schwester für sie bereithielt.

Nach einer Stunde hatte der Reiz der Party merklich nachgelassen. Martin, Tina, Mickey und John erzählten immer noch viel vom Ficken und Fressen, ihr schräges Outfit hatten wir zur Genüge aus nächster Nähe beäugt, und zu trinken gab es auch nichts.

Fazit: Ein gelungenes Ambiente, klasse Musik und schöne Menschen sind zwar unentbehrlich für eine gute Party, doch um irgendwelche fruchtbaren Irritationen im Besucherhirn zu hinterlassen, reichen diese Ingredienzien leider nicht aus. Aber nach einer Stunde war auch schon alles vorbei, die Stoffbahnen wurden wieder hochgezogen, die Musik lauter gestellt. Jetzt konnte die Party so richtig losgehen.

Karin Liebe

heute, 20 und 22 Uhr, Kampnagel, k4 (nur noch Warteliste)

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