: BSE-Kadaver als Trinkwassergefahr
■ Britische Regierung hielt Liste der Vergrabungen zurück. Gericht in Deutschland billigt Tötungsverordnung für Rinder
Glasgow (taz) – Das hätten die Tories gerne bis nach den Wahlen geheimgehalten. Doch diesen Mittwoch veröffentlichte der Independent die genaue Liste der 59 Stellen in Großbritannien, an denen 6.117 BSE-infizierte Rinder zwischen 1988 und 1991 vergraben worden sind. Die Liste lag der Regierung seit sechs Wochen vor. Anfang März hatte Landwirtschaftsminister Douglas Hogg noch behauptet, es wäre mit „unverhältnismäßig hohen Kosten“ verbunden, eine solche Liste zu erstellen. In Wirklichkeit war sie bereits in Arbeit und wurde Hogg vier Tage später überreicht.
Als Gavin Strang, der Labour- Experte für Landwirtschaft, am 16.April noch einmal nachfragte, erhielt er keine Antwort von Hogg. Das Landwirtschaftsministerium studiert angeblich bereits die Gefahr. Eine Sprecherin erklärte, man wollte erst die Risiken für die Bevölkerung klären, bevor man die Liste herausgerückt hätte. „Wir wollten Herrn Strang alles auf einmal überreichen“, sagte die Sprecherin. „Wir hätten es ihm in ein paar Wochen zugesandt.“ Nachdem die Labour Party die Wahlen gewonnen hat, ist Gavin Strang seit gestern neuer Landwirtschaftsminister.
Experten befürchten nun, daß der BSE-Erreger ins Trinkwasser gelangt sein könnte. Zwar hat man die Köpfe der Rinder entfernt, bevor man sie begrub, jedoch nicht das Rückenmark, das ebenfalls eine hohe Konzentration des Erregers enthält. Stephen Churchill, der 1995 als erster an der neuen Variante des BSE-ähnlichen Creutzfeldt-Jakob-Syndroms (CJS) starb, hatte in Wiltshire ganz in der Nähe des größten BSE-Massengrabs gewohnt: In Pewsey sind mehr als tausend Rinder begraben. Einige der anderen 16 britischen CJS-Opfer kamen ebenfalls aus Gegenden, in denen tote Rinder verscharrt worden waren. Doch die Indizien sind noch zu schwach, um einen Zusammenhang nachzuweisen. Fest steht, daß der Erreger im Boden jahrelang überleben kann. So hat man Labormäuse mit BSE-Material infiziert, das zwei Jahre lang vergraben war.
Die britische Regierung hatte 1988 die Beerdigung der Tiere angeordnet, weil die Kapazitäten für die Verbrennung nicht ausreichten. 12,5 Prozent der knapp 50.000 Tiere, die zwischen 1988 und 1991 am Rinderwahnsinn gestorben waren, kamen unter die Erde. Kadaver werden angeblich auch auf Kühlschiffen und in Kühlhäusern gelagert, bis sie verbrannt werden.
Als erstes Oberverwaltungsgericht hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel die „Zweite BSE-Schutzverordnung“ zur Tötung von Rindern aus Großbritannien und der Schweiz gebilligt. Mit seinem gestern veröffentlichten Beschluß (AZ: 11 TG 1050/97) wies das Gericht die Klagen von 17 Rinderhaltern auf vorläufigen Rechtsschutz ab. Das Land Hessen hatte die Tötung von 271 Rindern zunächst ausgesetzt, nachdem die Gerichte in erster Instanz unterschiedlich entschieden hatten. Ralf Sotscheck
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