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„Frauen zur Sau gemacht“

■ Grüne fordern, iranische Flüchtlinge ohne Zustimmung des Iran einzubürgern

Obwohl das Berliner Kammergericht die iranische Staatsführung im Mykonos-Urteil ganz offen des Staatsterrorismus bezichtigt hat, hat sich in Deutschland nichts verändert. Einbürgerungswillige iranische Flüchtlinge müssen hier weiterhin bei der diplomatischen Vertretung des Iran ihre Entlassung aus der Staatsbürgerschaft beantragen.

Schon allein der Gedanke daran, „die Vertretung des Verfolgerstaates aufsuchen zu müssen“, löse bei den Betroffenen massive Ängste aus, sagte gestern Hamid Nowzari vom Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin. Zusammen mit der Berliner Fraktion von Bündnis 90/Grüne fordert der Verein die Bundesregierung auf, asylberechtigte Iraner ohne Rücksicht auf deren bisherige Staatsangehörigkeit einzubürgern und den entsprechenden Passus im deutsch- iranischen Niederlassungsabkommen einseitig aufzukündigen.

In dem 1929 geschlossenen Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien ist geregelt, daß derjenige, der die jeweils andere Staatsangehörigkeit annimmt, die alte abgeben muß. Die Unterlagen für die Ausbürgerung müssen persönlich bei den diplomatischen Vertretungen des Iran abgegeben werden, was für die meist schon viele Jahre in Deutschland lebenden Oppositionellen des Mullah-Regimes einem Gang nach Canossa gleichkommt. Die Frauen würden „zur Sau gemacht, wenn sie nicht sittenmäßig gekleidet sind, und als gottlose Huren beschimpft“, weiß der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland. Die Flüchtlinge hätten große Angst, daß ihren Angehörigen im Iran etwas zustoße. „Wir lehnen es ab, die Vertretung des Verfolgerstaates zu betreten“, so Nowzari. Viele Anträge seien ohnehin erfolglos.

Vor dem Mykonos-Urteil hatte die Bundesregierung auf Intervention der Grünen den Iran ersucht, den besagten Absatz im Niederlassungsabkommen zu streichen. Auf das Ersuchen kam keine Antwort. Plutonia Plarre

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