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CannesCannesDas Rührendste seit E.T.

■ Luc Bessons „Das fünfte Element“ eröffnet das Filmfest

Was für ein Festival! Eine halbe Stunde, bevor mit Luc Bessons Film „Das fünfte Element“ die 50. Filmfestspiele von Cannes eröffnet werden, scheint es in den kleinen Straßen der Stadt nur feine Leute zu geben. Die Männer tragen Smoking und die Damen Abendroben, wie man sie in Berlin nicht einmal mehr in der Oper sieht. In Cannes geht man so ins Kino.

Vor mir trippelt eine winzig kleine Frau auf hohen Absätzen über die Straße. Ihr schwarzgefärbtes Haar ist zu einem dünnen Schwänzchen zusammengebunden, Kleid und Mantel haben ein Leopardenmuster. Selbst um den Knöchel trägt sie ein schmales Band mit Leopardenmuster. Die Frau ist mindestens sechzig. Vor dem Festivalpalast wartet eine überwältigende Menschenmenge auf das Erscheinen der Stars. „Das ist – Film“, denke ich noch, da kommen sie auch schon die Treppe herunter. Bruce Willis mit Gattin Demi Moore am Arm. Die Hauptdarstellerin hat sich bei Luc Besson eingehängt. Noch ist sie nicht berühmt. Aber ab heute weiß die Welt zumindest, daß sie einen schönen Körper hat. Sie trägt ein Oberteil, das praktisch nur aus ein paar Schnüren besteht, und Schuhe, deren Bänder bis zu den Knien hochgebunden sind. Um die Lenden hat sie ein kleines Tuch geknotet.

Wie das absolut Böse aussieht, wissen wir nicht. Nur einmal können wir seine Stimme hören. Jedenfalls bedroht es als riesige Feuerkugel die Erde. Das Böse hat einen fiesen Handlanger (Gary Oldman) auf Erden, dem sein Hitlerbärtchen an der Unterlippe klebt. Die Guten sind ein New Yorker Taxifahrer und das fünfte Element. Das ist – logisch – ein Frau. Sie kommt von einem fremden Planeten. Die Außerirdischen in diesem Film sind das Rührendste, was seit E.T. auf der Leinwand zu sehen war. Sie sehen aus wie Rhinozerosse, die aufrecht gehen. Sie wollen die Menschen vor dem Bösen beschützen, aber ihr Raumschiff wird abgeschossen. Übrig bleibt nur eine Hand, in der noch ein paar Zellen lebendig sind.

Das genügt. Der Chefmediziner der Menschen beginnt sofort mit der Rekonstruktion. Das klappt, nur sieht das Wesen jetzt etwas anders aus – wie eine Frau eben. Die Methode kommt einem gar nicht so unwahrscheinlich vor. So ist das immer in diesem Film. Besson hat sich keine Zukunft ausgedacht, er hat einfach die Gegenwart ein bißchen weiter getrieben. Zwar können die Autos jetzt durch die Luft fahren, aber Verkehrsprobleme gibt es immer noch. Genau wie Zigaretten – nur daß die jetzt mehr Filter als Nikotin haben. Bessons Film ist ein Märchen, einem Indiana-Jones-Film ähnlicher als Tim Burtons zynischem „Mars attacks“. Selbst Bruce Willis macht hier eine gute Figur. Das liegt an seinem Latexhemdchen, das ihm Jean Paul Gaultier geschneidert hat, und zum anderen an dem Personal, das ihn umgibt: ein aufgekratzter schwuler Radio-DJ, eine himmlische Sängerin mit einem enorm eiförmigen blauen Kopf, zwei unbeholfene Priester und so weiter. Es ist auf eine angenehme Art sehr altmodisch. Wie Hollywoodstars auf einer Treppe. Anja Seeliger

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