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Spiel mit dem Feuer

■ Tarifabschluß: Driften die Bauarbeiter nach rechts?

Die IG Bau, Agrar, Umwelt (IG B.A.U.) will heute über eine Streik- Urabstimmung beraten. Was bleibt ihr auch anderes übrig. Nach dem Schlichterspruch hat sie ihren Mitgliedern nichts anzubieten. Es gab auch nichts zu verteilen. So sitzt die Gewerkschaft politisch in der Falle. Nähme sie den Schlichterspruch kampflos hin, würde sie ihre Mitglieder verprellen. Denn die Bauarbeiter haben ohnehin den Eindruck, daß sich alle Welt gegen sie verschworen hat. Mehr Arbeitslosigkeit, mehr Konkurrenz auf den Baustellen, weniger soziale Sicherheit. Und nun auch noch dieses Angebot. Doch falls die IG B.A.U. den Streik wagt, stehen die Zeichen kaum besser. Die Bauarbeiter, die von Baustelle zu Baustelle ziehen, sind schwer zu organisieren. Die Gewerkschaft hat zu wenig getan, um dieses Manko auszugleichen. Die IG B.A.U. mag in der Lage sein, an einigen Großbaustellen und bei Terminaufträgen Druck auszuüben – auf breiter Front ist sie es nicht.

Im Osten ist die Lage der Gewerkschaft noch prekärer. Der Organisationsgrad ist gering, die wirtschaftliche Lage noch schwieriger, und zudem sind immer mehr Firmen im Osten nicht im Arbeitgeberverband organisiert. Deswegen gibt es in den östlichen Gewerkschaften auch Stimmen, die zum Verzicht auf einen Streik raten. Das Hauptproblem der Gewerkschafter dort ist es, bei einem mitgliederarmen, daher immer unwichtigeren Arbeitgeberverband einem Tarifvertrag überhaupt noch Geltung zu verschaffen.

Hinter all dem lauert die rechte Gefahr. Die Gewerkschaftsspitze hat in der Not entschieden, den Frust vieler Bauarbeiter über schwindende Lebensperspektiven noch einmal gegen den alten Gegner, die Arbeitgeber, zu lenken. Sie erhofft sich eine Solidarisierung der Mitglieder, die Wiederbelebung des Mythos von der starken Faust und – ein minimales Zugeständnis der Arbeitgeber.

So wird der Streikaufruf zum staatsmännischen Akt. Die Gewerkschafter fürchten, daß die Bauarbeiter endgültig die billigen, ausländischen Kollegen zu Sündenböcken stempeln. Die Tarifrunde 1997 könnte große Teile der Bauarbeiter politisch endgültig nach rechts kippen lassen. Vom System enttäuschte, rechtsgewendete Arbeiter – das ist die eigentliche Gefahr der diesjährigen Tarifrunde. Hermann-Josef Tenhagen

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