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■ Ein Kinderstar aus Holland tritt Heintjes Erbe anMaaaaaama und Oooooooma

Amsterdam, Oktober 1967. Ein kleiner 12jähriger Junge aus der südniederländischen Provinz Limburg sang ein schrecklich schlechtes Lied: „Mama“. Das Grauen hatte einen Namen: Heintje. Mit weiteren Gesängen, darunter „Heidschi, Bumbeitschi“, „Omat'je“ und „Ik weet, dat je morgen ons huisje verlaat“ (Ich weiß, daß du morgen unser Haus verläßt) bezauberte er dennoch zunächst das niederländische und dann auch das deutschsprachige Publikum.

Mai 1997. Wieder macht sich ein kaum Halbwüchsiger aus den Niederlanden auf, um mit seinem unreifen Geträller Holland und Deutschland zu erfreuen: Jantje, elf Jahre alt, wohnhaft im einstigen Fischer- und heutigen Touristen- Dorf Volendam (nördlich von Amsterdam). Hier wird in Musikstudios fleißig an der Karriere des Kinderstars gearbeitet. Nachdem Jantje Smit kürzlich mit einer in wenigen Tagen 140.000mal verkauften CD-Single alle niederländischen Rekorde brach, sind die Produzenten damit befaßt, die kurz darauf in einer Auflage von weiteren 100.000 Stück herausgebrachte und verkaufte CD ins Deutsche zu übersetzen.

„Erobert Jantje nun Deutschland?“ fragt sich De Telegraaf bereits und erinnert daran, daß noch niemand in Holland so schnell mit Gold und Platin für sein Werk ausgezeichnet wurde. Der singende Knabe, jubelt die Boulevardzeitung, werde schon bald im deutschen Fernsehen auftreten; ein deutschsprachiges Video sei auch schon fertig, aufgenommen in Volendam und am Ijsselmeer.

Jantje-Hasser haben eine Stiftung gegründet

Hollands zweitgrößte Zeitung, das Algemeen Dagblad, kann die Begeisterung für Jantje nicht teilen. „Die Texte von Heintje und Jantje sind auswechselbar, vor allem wenn es um ihre Oma geht“, spottet das Blatt. In Heintjes Oma-Lied sei die Oma zwar springlebendig, aber Heintje habe eine Ahnung, daß es nicht mehr so lange dauern werde. Jantje habe dem Heintje-Song nur einen wesentlichen Unterschied beigefügt: Heintje siezte seine Oma, Jantje ging 30 Jahre später frech zum Du über. Algemeen Dagblad meint süffisant, daß die „Omas, die in der Tat in den kommenden Jahren ihr Haus mit dem Krematorium eintauschen, zumindest ein letzter Gruß aus der Hitfabrik aus Volendam erwartet“.

Gibt es eine Chance, dem musikalischen Kindergrauen zu entrinnen? In den Niederlanden haben Jantje-Hasser inzwischen eine Stiftung zur „Abschaffung des niederländischen Volksliedes“ gegründet. Gründerin Eelke Molenveld hatte drei Programmpunkte angeführt: „Verbot der allein niederländischsprachige Musik aussendenden Station Radio Noordzee Nationaal, Verbot von Volksmusik und Kastration von Jantje Smit“. Die 16jährige Eelke hat allerdings nach nur drei Wochen die Aktivitäten der gutgemeinten Stiftung wieder eingestellt, vor allem wegen des gigantischen Medienechos. Ihre Mutter, die von der Stiftung nichts wußte, war sauer. Eelke begriff, daß sie einen Denkfehler begangen hatte: „Wenn wir ihn jetzt kastrieren, dann läuft er ja sein ganzes Leben lang mit dieser Stimme herum, und dann werden wir ihn nie mehr los.“

Schlauer ging da schon die niederländische Arbeitsinspektion vor: Sie verbietet Jantje, mehr als 15mal im Jahr zu arbeiten – und da muß er sich zwischen Auftritten und Fanpost-Lesen entscheiden. Er darf jährlich nur 2.000 Fanbriefe zu Gesicht bekommen. Aber seine Manager haben sich etwas einfallen lassen: Jantje ist jetzt im Internet (http//www.tip.nl/jansmit) vertreten, und hier ist sogar das bislang einzige Interview mit ihm zu lesen. Falk Medeja

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