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Das PortraitSymbol kurdischen Widerstands

■ Recep Marasli

Schon als 16jähriger Schüler wurde Recep Marașli verhaftet und von einem Kriegsgericht zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er hatte in einer Lokalzeitung gegen die Hinrichtung politischer Oppositioneller geschrieben. Heute ist Marașli 41 Jahre alt und ein schwerkranker Mann mit Seh- und Gleichgewichtsstörungen. Neurologische Probleme als Folge von Folter, Mißhandlungen und den unzähligen Hungerstreiks in den Gefängnissen, die sein Leben geprägt haben.

Noch immer lassen sie ihn nicht in Frieden. Anfang März wurden Recep Marașli und seine Ehefrau Nuran Marașli am Flughafen Ankara festgenommen. Gestern begann sein Prozeß vor dem Staatssicherheitsgericht Ankara.

Wieder vor Gericht in der Türkei: der kurdische Autor und Verleger Recep Marașli Foto: ai

Sein Verbrechen war es, Bücher zu schreiben und in dem Verlag Komal, den er Mitte der 70er Jahre mit Freunden gegründet hatte, Bücher zu publizieren. Es ging um die Tabuthemen Kurden und Kurdistan. An die Polizeirazzien, an kurzzeitige Festnahmen war Marașli in den 70er Jahren gewöhnt. Doch nach dem Militärputsch 1980 war physische und psychische Vernichtung angeordnet. Im berüchtigten Gefängnis Diyarbakir – wo Gefangene gezwungen wurden, Ratten zu essen, wo Gefangene sich selbst verbrannten, um dem Tod durch Folter zuvorzukommen – hat er die 80er Jahre verbracht. Beim Hungerstreik gegen die menschenverachtenden Haftbedingungen 1984 hat er sich seine Gesundheit ruiniert.

Als Marașli nach der Teilamnestie 1991 freigelassen wurde, fing er wieder an, Artikel zu schreiben, reaktivierte den Komal-Verlag und trat in Podiumsdiskussionen und im Fernsehen auf. Wieder Festnahmen, wieder Prozesse. Würde Marașli von allen Gerichten verurteilt – er säße bis zu seinem Lebensende im Gefängnis.

Doch Marașli, Ehrenmitglied der PEN-Clubs Englands, der USA, Kanadas, Belgiens und Norwegens, gibt das Schreiben nicht auf. Jetzt wird sein Buch „Die Armenierfrage“ veröffentlicht. Im Gefängnis hatte Marașli die Arbeit an dem Buch begonnen. Kurz vor der Veröffentlichung 1994 wurde das Manuskript bei einer Razzia beschlagnahmt. Er schrieb das Buch noch einmal.

Marașli ist zu einer Symbolfigur des Widerstandes geworden. Man hat ihn gefoltert, seinen Körper zerstört. Doch seine Seele hat man ihm nicht rauben können. Ömer Erzeren

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