: „Zahnräder“sollen stille stehn
Das bundesweit einzige Frauenprojekt, das Mädchen ein Vorbereitungsjahr für technische Berufe bietet, steht vor dem Aus ■ Von Karin Flothmann
Noch herrscht reger Betrieb in den beiden „Zahnrad“-Werkstätten an der Manshardtstraße in Horn. 24 Mädchen und junge Frauen im Alter von 16 bis 19 Jahren stehen an Hobelbänken und schreinern oder verarbeiten Metall an einer der 13 Werkbänke. Doch schon ab August dieses Jahres könnte hier Stille einkehren. Denn das Hamburger Arbeitsamt kündigte dem Projekt „Zahnrad“fristgerecht zum 31. Juli 1997 weitere Lehrgänge „wegen fehlender Haushaltsmittel“. Zur Begründung heißt es darüber hinaus, der bestehende Vertrag müsse „vorsorglich wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse“gekündigt werden.
Für das bundesweit einzige Projekt, das Mädchen ein Berufsvorbereitungsjahr in handwerklich-technischen Berufen bietet, hat das katastrophale Folgen. Denn dreieinhalb Stellen der insgesamt fünf vollen und zwei halben „Zahnrad“-Stellen finanziert das Arbeitsamt. Außerdem übernimmt es die Mietkosten von rund 7.000 Mark pro Monat.
„Wir rechnen damit, daß uns jetzt bald allen die Kündigung zugeschickt wird“, erklärte Projektkoordinatorin Bergit Falter gestern gegenüber der taz. Das wäre das Aus. Denn die zusätzliche Finanzierung des Projekts durch den Europäischen Sozialfonds und die Behörde für Berufsbildung ist abhängig von der Förderung durch das Arbeitsamt.
„Ob und wie es ab August bei uns weitergehen soll, ist daher völlig unklar“, sagte Bergit Falter. Das sei, so habe ihr ein Herr vom Arbeitsamt erklärt, allein davon abhängig, ob die Bundesanstalt für Arbeit von Finanzminister Waigel weitere Bundeszuschüsse erhalte, nicht aber vom Erfolg des Projektes.
Dabei läßt der sich nachweisen: In den neun Jahren ihres Bestehens hat das Projekt 191 Mädchen und junge Frauen von insgesamt 233 Teilnehmerinnen im Anschluß an das Berufsvorbereitungsjahr vermitteln können. 148 von ihnen fanden eine Ausbildungsstelle, 43 besuchten weiterführende Schulen oder fanden anderweitig Arbeit.
Auch die meisten der 24 jungen Frauen, die derzeit noch in den Werkstätten von „Zahnrad“arbeiten, wissen bereits, wo sie ab August weiterlernen wollen. Eine Teilnehmerin hat bei der Bahn eine Lehrstelle als Industriemechanikerin ergattert, eine andere wird zur Lufthansa gehen.
Bereits 15 Mädchen haben ihr Interesse bekundet, den nächsten „Zahnrad“-Kurs 1997/98 zu besuchen. Ob sie tatsächlich ab September an den Werkbänken in der Manshardtstraße stehen können, ist derzeit wohl allein abhängig von Theo Waigel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen