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Ein geklauter Kubus für die A-Klasse?

■ Streit um Urheberrecht: Der Künstler Klaus Rudolf klagt gegen Mercedes-Benz

Der Berliner Künstler Klaus Rudolf ist ein umtriebiger Mann. Schon zu DDR-Zeiten organisierte er Happenings, nach der Wende gründete der heute 43jährige die Kunstpartei Vogelfrei und später eine Projektmanagementfirma namens Antares in Prenzlauer Berg. Zur Kieler Woche 1991 baute Rudolf das Wind-Ton-Spiel- Kiel-Objekt, eine zehn Meter hohe, begehbare Klanginstallation, auf der sich nach offizieller Einweihung durch den Bürgermeister das Publikum tummelte.

Ein Jahr später realisierten er und sein Partner Steffen Wieland im Auftrag der Umweltkommission der EU und der Grünen Liga vor dem Brandenburger Tor in Potsdam das Müll-Streit-Objekt: Ein von Bauplänen eingehüllter Würfel, in dessen Innerem Fachleute über Probleme der Müllentsorgung diskutierten, während draußen – bis zu den Knien im eigens angekarrten Unrat – die Mitglieder der Berliner Tanzgruppe Moving M 3 vor erstaunten Potsdamern eine ihrer eigenwilligen Performances spielten.

Vor ein paar Wochen wurde Rudolf nun von einer Berliner Künstleragentur aufgefordert, für eine PR-Präsentation von Mercedes-Benz etwas beizusteuern (unentgeltlich, versteht sich). Als er das beigefügte Info-Material durchblätterte, fiel er aus allen Wolken: Der sogenannte Kubus, mit dem die Mercedes-Benz AG republikweit im Rahmen der A-Motion-Europa-Tour ihre neue A-Klasse präsentiert, sieht Rudolfs Müll-Streit-Objekt bis in Details – wie eine schräg aus dem Würfel ragende Röhre – ähnlich. Das, so der Künstler, könne kein Zufall sein, zumal Rudolf vor gut einem Jahr über einen Mittelsmann, den in Assenhausen bei Berg am Starnberger See ansässigen PR-Manager Peter Schlack, Kontakt mit dem Automobilkonzern aufgenommen hatte.

Damals ging es um die Entwicklung eines neuen „Leitbildes“ für das Mercedes-Werk in Rastatt, dessen Mitarbeiter künstlerisch darauf vorbereitet werden sollten, den neuen Mini-Benz zu montieren. Die Sache begann hoffnungsvoll: Nachdem Rudolf PR-Mann Schlack in einer mexikanischen Kneipe in Prenzlauer Berg getroffen und ihm eine Mappe seiner bisherigen Aktionen zur Ansicht überlassen hatte, faxte Schlack Rudolf am 21. März 1996 zurück, die Leute bei Mercedes-Benz stünden „unserer Idee grundsätzlich positiv“ gegenüber und wünschten „ein gemeinsames Meeting im Werk“; Rudolf solle Terminvorschläge machen. Die beiden vereinbarten ein Treffen für den 23. April 1996, das Rudolf am 11. April schriftlich bestätigte.

Zehn Tage danach zerschlug sich das Ganze überraschend. Rudolf war gerade dabei, die Koffer zu packen, als Schlack ihm mitteilte, der Termin sei „gecancelt“, man brauche ihn nicht mehr. Seitdem herrschte Funkstille – bis zu dem für Rudolf denkwürdigen Mitmachangebot.

Am 12. Mai 1997 schickte Rudolf der Mercedes-Benz AG einen Brief, in dem er – garniert mit einer Schadenersatzforderung von 100.000 Mark – die Urheberschaft am A-Motion-Tour-Design für sich reklamierte. Am 14. Mai antwortete die Mercedes-Rechtsabteilung: „Weder die Aktivitäten des Werkes Rastatt noch die seitens der Firma Schlack übermittelten Unterlagen für ein Mitarbeiter- Motivationsprogramm waren der [für die A-Klasse-Tour verantwortlichen, Anm. d. A.] Marketingabteilung von Mercedes-Benz bekannt.“ Mit der Konzeption der A-Motion-Tour, bei der im Inneren des „Kubus“ Diskussionen zu Umweltproblemen stattfinden, während draußen die katalanische Tanzgruppe La Fura dels Baus eine ihre eigenwilligen Performances spielen, sei vielmehr „eine unabhängige Agentur in Frankfurt“ beauftragt gewesen, die „nachweisbar keinen Konakt zum Werk Rastatt“ hatte. Ergo bestehe für Rudolfs Ansprüche keine Grundlage.

Was die Firma Schlack betreffe, so habe es lediglich einmal eine Zusammenarbeit gegeben: „Kontakte mit der von Ihnen angesprochenen Firma Schlack“, schreiben die Mercedes-Rechtsanwälte Dr. Herb und Fendel, „gab es allein seitens des Werkes Rastatt im Rahmen der Leitbildentwicklung.“ Später habe Schlack noch „unaufgefordert ein Mitarbeiter- Motivationsprogramm vorgelegt, ohne daß sich hieran jemals eine Präsentation, Besprechungen oder Verhandlungen anschlossen“.

Das mag stimmen oder auch nicht. Zumindest Schlacks freie Mitarbeiterschaft für die Mercedes-Benz AG ist nicht ganz so einmalig gewesen, wie es deren Rechtsvertreter glauben machen möchten. Peter Schlack war bis Februar 1996 einer der verantwortlichen Redakteure des einmal pro Jahr weltweit in einer Auflage von 375.000 Stück vertriebenen MB- Mitarbeiter-Hochglanzmagazins Einblick. Außerdem obliegt Schlack die Redaktion der Mercedes-Form-Reihe, die konzerninterne Schulungen von Führungskräften dokumentiert und aufbereitet. Ulrich Clewing

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