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Schröder macht dem Tanker Tempo

■ Auf dem SPD-Kongreß in Düsseldorf verlangt Niedersachsens Ministerpräsident schnellere Innovationen. Die traditionelle Verteidigung des Sozialstaats erklärt er für überholt, die unerträgliche Langsamkeit müsse aufhören

Düsseldorf (taz) – Die SPD setzt wieder auf die Moderne. „Zu unserem Projekt der Moderne“, erklärte gestern Oskar Lafontaine auf dem Innovationskongreß seiner Partei, „gehören Innovationen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, gehören Bildung, Forschung und Wissenschaft, neue Technologien, weniger Bürokratie und mehr Freiräume für den einzelnen.“ Ergänzend wandte sich der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder vor den sechshundert Tagungsteilnehmern dagegen, soziale Traditionen „unserer Gesellschaft auf traditionelle Weise“ zu verteidigen.

Was er damit meint, machte er gleich anhand eines aktuellen Konflikts deutlich. Er stimmte dem DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte zu, „wenn er fordert, die Tarifverträge so zu gestalten, daß betriebliche Erfordernisse weit mehr als bisher berücksichtigt werden“. Schulte hatte am Vortag mit seiner Hinterfragung des Flächentarifvertrags innerhalb der Gewerkschaften zum Teil heftigen Protest hervorgerufen. Auch in der Forderung nach Reform des Rentensystems ging Schröder mit Schulte d'accord – und auf Konfrontation zu seiner Partei, die am bisherigen Finanzierungsmodell festhalten will.

Mit dem Kongreß „Innovationen für Deutschland“ wollte die SPD ihr wirtschaftspolitisches Profil schärfen. Sie hatte dazu namhafte Vertreter der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft in die Düsseldorfer Congresshalle eingeladen.

Gerhard Schröder ging vor der Versammlung auch mit der bisherigen wirtschaftspolitischen Haltung seiner Partei ins Gericht. Er sprach sich gegen eine „neue Bürokratie“, Risikofeindlichkeit und eine „unerträgliche Langsamkeit“ aus. Statt dessen müsse von dem Kongreß ein Signal ausgehen: „Wir haben verstanden.“

Noch vor zwei Jahren hatte er erklärt, er kenne keine sozialdemokratische, sondern nur moderne oder unmoderne Wirtschaftspolitik. Damals mußte er dafür seinen Posten als Wirtschaftssprecher räumen. Nun ließ er seine Partei wissen, mit moderner Wirtschaftspolitik meine er, daß die mentale Disposition zu Innovation und Technik so wichtig sei für den Standort wie die Kosten der Arbeit, und setzte sich erneut, diesmal ungestraft, von der bisher herrschenden Lehre der SPD ab.

Hat der Kongreß sich gelohnt? Schröder sagt, er habe deutlich gemacht, daß es der SPD darum gehe, Modernität mit sozialer Verantwortung zu verbinden. Anders als Oskar Lafontaine räumte Schröder in der Diskussion mit Industriellen ein, daß die deutsche Industrie „in wichtigen Produktionsbereichen Kostenprobleme hat“, die über Flexibilisierung und Senkung der Lohnnebenkosten angegangen werden müßten.

Während Oskar Lafontaine sein Plädoyer für die internationale Zusammenarbeit als zentrale Antwort auf die Globalisierung wiederholte, sprach sich Schröder dafür aus, diese Zusammenarbeit nicht gegen Veränderungen auszuspielen, die in Deutschland nötig seien.

Gerhard Schröders Bilanz: Alle, die gekommen seien, um „Mißtöne in der SPD- Führungsriege zu hören“, müßten „enttäuscht nach Hause reisen“. Dieter Rulff

Tagesthema Seite 3

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