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Newcomer machen die FN hoffähig

■ Die Front National erreichte ihr bestes Ergebnis. Die Anhänger der Rechtsextremen könnten die Wahl entscheiden

Als stärkste Partei in zahlreichen Wahlkreisen, mit knapp 15 Prozent auf nationaler Ebene, weit über 30 Prozent in Südfrankreich und mit 133 Kandidaten im zweiten Durchgang – davon 77 in Dreieckskonstellationen – hatte die Front National (FN) gestern Anlaß zum Triumphieren. Die rechtsextreme Partei kann zwar nur maximal drei Abgeordnete im Parlament erwarten, aber vom Verhalten ihrer Wähler im zweiten Durchgang wird dennoch der Ausgang der Wahl mit abhängen.

Stark war die FN am Sonntag überall dort, wo ihre Politiker seit Jahren das Terrain bearbeiten: im Süden Frankreichs, wo bereits vier Städte rechtsextrem regiert sind; im Elsaß, wo sie bereits zahlreiche Lokalpolitiker hat und in 11 von 16 Wahlkreisen in den zweiten Durchgang zieht; und im Nordosten von Paris, wo die Rechtsextremen in Dreux bereits zweimal nur dank des Zusammenschlusses aller demokratischen Parteien knapp das Rathaus verfehlten.

„Die Front National nährt sich aus der sozialen und politischen Krise“, erklärt der Politologe Pascal Perrineau. „Und seit der Wahl Chiracs hat sich diese Krise nicht gebessert.“ Der Historiker Emmanuel Todd vermutet, daß die Parlamentsauflösung die Reihen der Rechtsextremen verstärkt hat, weil Chirac den Schritt „euroextremistisch“ begründete und damit einen Teil seiner traditionellen nationalistischen und euroskeptischen Wähler im Stich ließ.

Die Kandidaten der FN werden ihre Machtposition in den kommenden Tagen weidlich ausnutzen. Eine Wahlempfehlung wollen sie nicht aussprechen. Der Satz von Parteichef Jean-Marie Le Pen, der selbst nicht kandidierte: „Chirac ist schlimmer als Jospin“, hatte zahlreiche rechtsextreme Wähler verunsichert. Ihnen zuliebe und um seine innerparteiliche Machtposition auszubauen, stellte Bruno Megret längst klar, daß seine Partei „selbstverständlich nicht“ zur Wahl der Sozialisten aufrufen werde – eine Kriegserklärung an seinen Parteichef Le Pen.

Der 48jährige Megret, Gatte der Bürgermeisterin von Vitrolles und einer der für den Einzug ins Parlament bestplazierten FN-Anwärter, wies am Sonntag abend darauf hin, daß das Resultat besser sei als bei der letzten Präsidentschaftswahl – bei der Le Pen kandidierte. Mit einem Rückzug des Alten würde die Gründergeneration der FN, die sich aus Kollaborateurskreisen, Antisemiten und Algerienkriegern rekrutiert, in den Hintergrund treten und jüngeren Politikern Platz machen.

Megret, der seine Karriere in der neogaullistischen RPR begann und Mitte der 80er Jahre übertrat, ist einer dieser Newcomer. Unter seiner Führung würde die Front National zwar nichts von ihrem rechtsextremen Programm verlieren. Dennoch würde die Partei für viele Franzosen – möglicherweise auch für andere rechtsextreme Parteien in Europa, die die Front National bislang noch schneiden – präsentabler werden.

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