piwik no script img

Das PortraitFeministin und Jugo-Deutsche

■ Mirjana Bilan

Mirjana Bilan gründet ein Frauenzentrum in Kroatien Foto: Henning Scholz

Dieses Mal packt Mirjana Bilan nicht nur die Badehose ein. Schränke, Computer, Bettwäsche, Kindersachen und viele weitere Spenden werden in Hamburg auf einen Laster geladen. Zielort ist die Insel Brac in der Nähe von Split. Auch Mirjana Bilan selbst wird dorthin fahren. Nach über dreißig Jahren in Deutschland, wohin sie als Krankenschwester kam, kehrt die heute 52jährige zurück, um in Kroatien ein Frauenprojekt aufzubauen: „Seka“, ein Erholungs- und Seminarhaus für kriegstraumatisierte Frauen und Kinder aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawien.

„Ich wollte sowieso irgendwann einmal zurück“, erzählt sie, „jetzt kann ich dort etwas Sinnvolles tun.“ Nach der „sozialistischen Gleichmacherei“, die von gewalttätigem Nationalismus abgelöst wurde, müsse es jetzt darum gehen, neue Wege der Begegnung zu suchen. Die Frauen hätten ein „enormes Bedürfnis, ihre Erlebnisse und die Trauer über Menschen, die sie verloren haben, loszuwerden“. Ihnen will Mirjana Bilan „eine angenehme, friedliche Umgebebung“ jenseits der Zerstörung und des alltäglichen Überlebenskampfes schaffen, um „das Angestaute“ zu verarbeiten. Von „Zähne zusammenbeißen, in die Hände spucken und den Krieg vergessen“ hält die engagierte Feministin nichts.

„Daß ich jetzt für immer weggehe, ist mir wahrscheinlich noch gar nicht bewußt“, sagt Mirjana Bilan. „Je älter ich wurde, desto öfter habe ich mir die Frage der Identität gestellt“, begründet sie ihren Entschluß, nach Kroatien zurückzugehen. Auch nach drei Jahrzehnten fühlt sie eine innere Zerissenheit: Während sie dort immer die „Jugo-Deutsche“ war, galt sie hier als „spontane Südländerin“.

Mirjana Bilan nimmt jede Menge Erfahrungen und Erinnerungen auf ihre Reise mit. Ihre wichtigsten Jahre hat sie in der Bundesrepublik verbracht, sich mit den 68ern „nächtelang den Kopf über den Sozialimus“ heiß geredet. „Für jeden Pups sind wir auf die Straße gegangen.“ Das Hamburger erste Frauenzentrum, den Frauenbuchladen, die Frauenkneipe hat sie mitbegründet. „Ich war bekannt wir ein bunter Hund.“

Nach dem Kriegsausbruch im ehemaligen Jugoslawien organisierte sie Hilfstransporte. Natürlich ist bei dem jetzigen Unternehmen auch etwas Angst dabei. Aber: „Ich war schon immer etwa verrückt“. Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen