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■ Frankreichs sozialistischer Wahlsieger Jospin wird Kommunisten und Grüne in sein Kabinett berufen. Die Konservativen befinden sich seit Sonntag im Prozeß der Selbstzerfleischung Aus Paris Dorothea HahnChirac in die Wohngemeinschaft

Chirac in die Wohngemeinschaft

Der Mann, der den Erdrutsch vor gut vier Wochen losgetreten hat, saß gestern morgen in seinem Palast im 8. Pariser Arrondissement und mußte die Konsequenzen regeln. Erst empfing Jacques Chirac seinen Lieblingspremierminister Alain Juppé, um dessen Demission entgegenzunehmen. Dann unterhielt er sich eine Stunde lang mit dem Chef der Sozialistischen Partei, Lionel Jospin, bevor er ihn offiziell zum neuen Premierminister bestimmte. In den nächsten Tagen, noch vor Ende dieser Woche, will Jospin die Zusammensetzung seiner Regierung bekanntgeben: Sie soll kleiner sein als bisher und neue und alte sozialistische Minister sowie Grüne und Kommunisten umfassen.

Die französischen Grünen starteten am Sonntag eine Blitzkarriere, die ihnen gleichzeitig erstmals den Einzug ins Parlament (7 Sitze) und in die Regierung öffnete. Die Kommunisten, die mit nunmehr 38 Abgeordneten erstmals seit 20 Jahren ihren Abwärtstrend umgekehrt haben, befragen seit gestern ihre Zellen über eine Regierungsbeteiligung. Das Wahlergebnis, das den Kommunisten 15 zusätzliche Mandate bringt, stärkt Parteichef Robert Hue, der die „Mutation“ der KPF vorangetrieben hat und für eine Koalition mit den Sozialisten votiert. Hardliner wie der Abgeordnete Alain Bocquet ziehen es vor, die Regierung von Fall zu Fall zu unterstützen, ohne eigene Minister zu stellen.

Die Sozialisten wünschen sich auf jeden Fall einen kommunistischen Minister, „am besten für das Postministerium“. Entgegen ersten Hochrechnungen ist die PS ohnehin auf die Unterstützung der KPF angewiesen, um die nötige Mehrheit von 289 Sitzen in der Nationalversammlung zu erreichen.

Allzu großen Erwartungen an das Regierungsprogramm der neuen Koalition setzte PS-Sprecher François Hollande gestern bereits einen Dämpfer auf. „Wir können nicht alles sofort machen“, sagte er. Ein neuer Austeritätsplan für den Übergang zum Euro sei aber nicht nötig, ergänzte er.

Die Konservativen, über die einst ein französischer Kommunist den jetzt wieder vielzitierten Satz sagte: „Wir haben die dümmste Rechte der Welt“, befinden sich seit ihrer schwersten Wahlniederlage seit Bestehen der V. Republik im Prozeß der Selbstzerfleischung. Acht Minister der alten Regierung wurden nicht wiedergewählt, zahlreiche konservative Schwergewichte blieben außerhalb des Parlamentes oder schafften nur mit Ach und Krach die Rückkehr.

Die Urnen waren noch gar nicht alle ausgezählt, als am Sonntag abend bereits die ersten konservativen Sprecher von „Auflösung“ und „Neugründung“ zu sprechen begannen. Diese Diskussion über den Zuschnitt der künftigen rechten Parteienlandschaft wird ihre Debatte in der nächsten Zeit beherrschen. Als Alternativen sind unter unter anderem ein „festerer Zusammenschluß hinter Präsident Chirac“ und eine neue – weiter rechts stehende – Formation mit Exinnenminister Pasqua in der Debatte; der hofft, auf diese Art die an die Rechtsextremen verlorenen Wähler zurückzugewinnen.

Die Rechtsextremen selbst verlangten gestern den Rücktritt von Präsident Chirac als Konsequenz aus dem Wahldebakel. Entgegen eigenen Erwartungen und den Befürchtungen vieler Konservativer und Sozialisten schafften sie es nicht, mehr als nur einen Abgeordneten ins Parlament zu bringen.

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