: HIV-Risiko für Babys drastisch gesunken
■ Übertragungsrate des Aidsvirus auf Neugeborene liegt unter zwei Prozent
Berlin (taz) – Gute Nachrichten für HIV-infizierte Frauen: Das Übertragungsrisiko von der Mutter zum Kind konnte in den vergangenen Jahren dramatisch reduziert werden. In mehr als 98 Prozent der Fälle kann heute eine Ansteckung des Neugeborenen mit dem Aidsvirus verhindert werden. Vor zehn Jahren lag die Übertragungsquote in der Bundesrepublik noch bei 17,6 Prozent.
Die Erfolge werden im wesentlichen durch zwei Maßnahmen erreicht: eine Entbindung durch Kaiserschnitt vor dem Einsetzen der Wehen und eine antivirale Behandlung der Schwangeren und des neugeborenen Kindes mit dem Aidsmedikament AZT. Die neueren antiviralen Arzneien sind dagegen noch nicht für Kinder zugelassen. Auch ohne AZT-Pillen kann das Übertragungsrisiko, allein durch den Kaiserschnitt, von 17 auf 4,7 Prozent gesenkt werden.
Der Berliner Gynäkologe Axel Schäfer und die Kinderärztin Ilse Grosch-Wörner stellten gestern auf einem Symposium der Deutschen Aids-Hilfe die neuen wissenschaftlichen Daten zur Mutter- Kind-Übertragung vor. Trotz der erfreulichen Entwicklung bleibt noch eine Reihe von Problemen. So ist in vielen Fällen die Infektion der Mutter unbekannt. Bei 28,2 Prozent der HIV-positiven Schwangeren wurde sie erst während der Schwangerschaft entdeckt. Bei 10 bis 15 Prozent aller Schwangeren wird noch immer kein HIV-Test gemacht und damit die Chance, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, eventuell verspielt. Außerdem werde die Möglichkeit, daß sich Frauen während der Schwangerschaft infizieren, von den meisten Ärzten nicht beachtet, kritisierte Schäfer.
Bei einem „normalen“ Schwangerschaftsverlauf einer infizierten Frau verordnen die Ärzte ab der 34. Woche AZT, bei Risikopatientinnen schon ab der 16. Woche. Als Risiko gilt eine schlechte Immunlage der werdenden Mutter und eine schnell fortschreitende Krankheit. Frauen mit vorzeitigen Wehen und einer Frühgeburt haben eine deutlich höhere HIV- Übertragungsrate. Der genaue Weg der Infektion von der Mutter zum Kind ist noch immer ungeklärt. Eine Ansteckung über Viren, die in das Fruchtwasser eindringen und vom Kind getrunken werden, gilt inzwischen als plausibel.
HIV-positive Frauen müssen während der Schwangerschaft kein schnelles Fortschreiten ihrer Infektion befürchten. Der Krankheitsverlauf zeige im Vergleich zu Nichtschwangeren keine Unterschiede, sagte Schäfer. Auch die Fruchtbarkeit ist durch die Infektion nicht beeinträchtigt. Während sich in Europa die Aussichten für infizierte Frauen damit bedeutend gebessert haben, bleibt die Situation in den armen Ländern Asiens und Afrikas unverändert kritisch. Im südlichen Afrika wird das Virus in jedem dritten Fall von der infizierten Mutter auf das Kind übertragen. Für AZT fehlen die Gelder, für Kaiserschnitte die technischen und hygienischen Voraussetzungen. Manfred Kriener
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