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Kauft die Bremische in Chemnitz ein?

■ Stadtbürgerschaft stimmte Verkauf der Bremischen zu / Bedenken der Veba im Stadtwerke-Aufsichtsrat überstimmt

Ausgerechnet der Vertreter der Veba, Dr. Klaus Harig, runzelte im Stadtwerke-Aufsichtsrat am Montag ostentativ die Stirn, als er den Einstieg des Energieversorgers bei der Bremischen absegnen sollte. Die Belgier von Tractebel waren sogar offen dagegen: Rendite-Aussichten auf dem bremischen Immobilienmarkt sind äußerst mau, so das Urteil der Anteilseigner. Drei Stunden dauerte die Debatte, nur mühsam konnte über den Konsortialausschuß den Partnern Bremens im Aufsichtsrat ein Stillhalten abgerungen werden.

Nicht nur dem Stadtwerke-Aufsichtsrat, auch den Bremer Stadtparlamentariern, die gestern den Verkauf von 50 Prozent der Bremischen absegneten, war unklar, was für einen Deal die Rinteln-Stadthagener Eisenbahn-AG (RSE) mit den Chemnitzer und Duisburger Wohnungen vorhat. Am gestrigen Abend, also nach der Zustimmung der Stadtbürgerschaft, sollte über diesen Punkt noch einmal mit den anreisenden RSE-Vertretern verhandelt werden.

Dieses Wohnungsgeschäft sei durchaus nicht Bedingung des Einstieg der RSE, beteuerte Finanzsenator Ulrich Nölle vor der Bürgerschaft. Aber warum soll der Wohnungsverkauf dann im laufenden Jahr 1997 passieren, die RSE muß den Kaufpreis ihrer Anteile an der Bremischen lt. Vertrag aber erst zum 31.12.97, also danach, bezahlen, fragte der Grüne Dieter Mützelburg.

Die Summe von 1.000 Mark pro Quadratmeter für die 830 Chemnitzer Wohnungen (43.000 Quadratmeter), 1500 Mark für jeden der knapp 17.000 Duisburger Quadratmeter solle durch ein Ertragsgutachten überprüft werden, versicherte der Finanzsenator. Warum dieses Wohnungsgeschäft in einen Vertrag mit dem Einstieg der RSE in die Bremische vereinbart wurde, konnte er nicht erklären. Ein Erfolg, so der Finanzsenator, sei auch die „Put-Option“, nach der die RSE auch den Rest der Bremischen für mindestens 80 Millionen kaufen würde. „Kommt überhaupt nicht infrage“, scholl es ihm da aus der Ecke des SPD-Fraktionsvorsitzenden Christian Weber entgegen.

Was für ein Interesse die RSE hat, ihre erst 1996 erworbenen Chemnitzer Wohnungen und die erst 1997 erworbenen Duisburger Wohnungen sofort wieder zu verscheuern, konnte niemand dem Parlament erklären. Im eigenen „Unternehmens-Expose“ist angedeutet, daß die RSE von der Veba-Immobilien AG zu allerlei Immobilien-Händeln genutzt wird. Ein „Vertragswerk“sei entwickelt worden, heißt es da, nach dem Wohnungsbestände der RSE übergeben werden könnten, allein um den „erforderlichen Wertberichtigungsbedarf vermeiden“zu können; die RSE kassiere für die „Stillhaltephase“eine „Stillhalterprämie“, „ohne selbst ein Risiko zu haben“. Da die RSE ein Mantel ist für diverse Immobilien-Geschäfte, ohne selbst viel Personal zu haben, ist durchaus denkbar, daß auch die Chemitzer und die Duisburger Wohnungen im Rahmen einer „Stillhalte“-Funktion zunächst übernommen und nun der Bremischen angedient werden sollen. Klar ist, daß die RSE nicht die fachlichen Kapazitäten hat, um selbst Wohnungsbestände zu verwalten.

Zufrieden mit dem Ergebnis für die Bremische äußerte sich SPD-Fraktionschef Weber. Die „politische Streitkultur in der SPD“sei „sehr anstrengend“gewesen, das Ergebnis bringe aber Geld für den Stadtreparaturfonds in die Kasse und zusätzliche Arbeit für die Beschäftigten der Bremischen. Bei den konkurrierenden Bietern der Beamtenbau/WCM seien die drohenden Synergieeffekte in der Wohnungsverwaltung offensichtlich.

Sowohl Wirtschaftssenator Hartmut Perschau, der im Senat gegen den Verkauf an die RSE gestimmt hatte, wie der ex-Bürgermeister Klaus Wedemeier, der als Veba-Mitarbeiter Gespräche für die gefundene Lösung vermittelt hat, blieben gestern der Bürgerschaftsdebatte fern. K.W.

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