piwik no script img

Beam, gong, stopp!

■ Cosmo und der Sternenkreuzer: Variationen zu einem Cassavetes-Film von Luxus Berlin, KOOP und Hans-Werner Kroesinger im Theater am Halleschen Ufer

„20 Minutes“, die zweite. Im März hatte Zebu Kluth, künstlerischer Leiter des Theaters am Halleschen Ufer, zum ersten Mal drei Regisseure der Off-Szene beauftragt, in jeweils zwanzig Minuten ihre Eindrücke von John Cassavetes Film „The Killing of a Chinese Bookie“ theatralisch umzusetzen. Damals nahmen sich Marc Johnson, Thomas Martius und Matthias Wittekindt der Geschichte des verschuldeten Varietébesitzers Cosmo Vitelli an, der gezwungen wird, einen chinesischen Buchmacher zu ermorden.

Am Mittwoch folgte nun der zweite Teil des Projekts: wieder drei Regisseure, wieder dreimal 20 Minuten. So ungefähr jedenfalls. Zunächst treten Alexandra Engel, Michael Busch und Oliver Jahn, der besseren Identifizierung halber mit Firmenschildern ihrer Gruppe Luxus Berlin am Uniformhemd, wie Besatzungsmitglieder des Raumschiffs Enterprise in die Lichtkegel. „It's gonna be a big night“, versprechen sie, starten, gong!, ihre Stoppuhren und legen los. „Everything in twenty minutes“ scheint das Motto ihrer ulkigen und temporeichen Performance zu sein: Da gibt es Filmtexte aus dem Off, Klavierspiel auf der Bühne und vom Band, Live-Video und Spielerei mit dem Overheadprojektor. Auch gibt man sich gar nicht erst mit dem einen Film zufrieden, sondern zitiert noch schnell David Lynch und Bruce Lee, und auf dem Regiepult Alexandra Engels glüht die Rote Laterne. Gong!, Stoppuhren aus, und am Ende dieser 20 Minuten sind gerade erst zehn vergangen. Nanu?

Die Zeitverwirrung nimmt nicht ab, denn Johannes Grebert (KOOP Theater) und Hans-Werner Kroesinger haben ihre Beiträge, noch dazu mit den gleichen Schauspielern, so verschränkt, daß statt zweimal 20 gleich 40 Minuten entstehen, und die können denn doch recht lang sein. Wie schon Mark Johnson im März halten auch Grebert und Kroesinger sich an die theatralischste Location des Films, an Cosmos Varieté.

Drei Girls hüpfen formschön auf die Bühne und sprechen gekünstelt Belangloses in die bereitgestellten Mikrophone. Gotthard Lange als Cosmo und Neal Wach als Mr. Sophistication spielen Dialoge aus dem Film nach und laufen dabei leider voll in die Coolnessfalle. Lediglich einmal, in einem Kroesinger-Teil, kommt etwas Distanz zur eigenen Attitüde auf, als Wach plötzlich kichernd aus dem Dialogtext ausbricht und anfängt, eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Wer den Film noch nicht gesehen hat, kann sich dank Greberts Fleißarbeit am Ende immerhin umfassend über dessen wichtigste Szenen informiert fühlen.

Licht aus, Beam an, und wieder die Mannschaft des Sternenkreuzers Luxus, zur zweiten Hälfte ihrer 20 Minuten. Diesmal verkriechen sich jedoch gleich alle drei hinters Regiepult, und als viertes Besatzungsmitglied lädt Christina Rehm ein: „Komm, laß uns ins Kino gehn!“ Ihrem melancholischen Monolog über Kung Fu und Cassavetes werden Bild- und Tonaufnahmen aus den ersten zehn Luxus-Minuten unterlegt. Das ist charmant, erklärt aber leider oftmals Aktionen, die mir unerklärt besser gefallen hatten. Als schließlich auch die Verheißung einer „big night“ aus dem Off wiederholt wird, klingt das doch etwas matt, 60 Minuten später.

Insgesamt scheint nur wenigen der bisher beteiligten Regisseure die Auftragsarbeit an „20 Minutes“ wirklich zur Herzensangelegenheit geworden zu sein, wobei diesmal wenigstens keiner die Chuzpe hatte, das Thema gleich ganz zu ignorieren wie Matthias Wittekindt im März. Anfang Dezember werden noch Jo Fabian, Dirk Cieslaks Lubricat und Mechthild Erpenbeck zeigen, was ihnen zu „The Killing of...“ eingefallen ist. Dann also Armin Dallapiccola als Cosmo? Es besteht noch Hoffnung. Michael Mans

Noch heute und morgen, 21 Uhr, Theater am Halleschen Ufer (32)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen