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Waigel guckt weiter ins Haushaltsloch

■ Koalitionsrunde ohne Ergebnis. Fünf Milliarden Mark Einsparungen und 25 Milliarden aus Privatisierungen geplant

Bonn (taz) – Finanzminister Theo Waigel war extra vorzeitig vom EU-Gipfel in Amsterdam abgeflogen, um zu Hause das Haushaltsloch zu stopfen. Und FDP- Fraktionschef Hermann-Otto Solms zeigte sich vor Beginn der gestrigen Gespräche der Bonner Koalitionsspitzen überzeugt, daß CDU, CSU und FDP „zu einem guten Ergebnis“ kommen werden. Vielleicht klappt's ja nächste Woche, kann man da nur wünschen. Gestern jedenfalls konnten sich die Koalitionspartner nicht einigen.

Die Erwartungen, daß sich die Regierung aus der Haushaltskrise befreit, sind ohnehin gleich null. Die hektischen Aktionen des Finanzministers in den vergangenen Wochen und das Gezerre um die Neubewertung der Goldreserven trugen wenig zur Hoffnung bei. Beim Jahreshaushalt 1996 fehlten 18,4 Milliarden Mark. In diesem Jahr beträgt das Defizit 20 Milliarden und 1998 etwa 30 Milliarden. Selbst in den eigenen Reihen wird gezweifelt, ob die Regierung jemals aus dem Schuldenloch herauskommt. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Graf Lambsdorff, sagte, er sei „nicht ganz sicher“, daß die Koalition einen Haushalt hinlegen könne, der im Jahr 1998 mit Blick auf 1999 nicht in dieselbe Situation führe wie heute. Ohne Neuverschuldung komme die Regierung nicht aus. Aber gerade dadurch geraten die Euro-Kriterien in Gefahr.

Am meisten Geld sollen Privatisierungsmaßnahmen in die Kassen bringen, man spricht von etwa 25 Milliarden Mark. Doch schon im vorigen Jahr hatte sich Waigel verspekuliert. Die angepeilten Privatisierungsgewinne in Höhe von neun Milliarden Mark kamen nicht zustande. Ohnehin gelten Privatisierungen für viele nur als letzter Ausweg, weil damit das Tafelsilber verschleudert wird. Und für die Erfüllung der Maastricht-Kriterien, so der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Karl Diller, helfen sie ohnehin nicht weiter.

Etwa fünf Milliarden Mark will die Koalition bei allen Ministerien einsparen. Mehr sei beim besten Willen nicht möglich. Die Koalition verzichtet aber auf die Streichung der Ministerialzulage und läßt auch die Zuschüsse für Diplomaten von Steuerbelastungen weitgehend unverschont. Dafür soll den Beamten das Weihnachtsgeld gekürzt werden. Zudem werden Einsparungen im Sozialetat von zwei Milliarden Mark erwogen, bei den Karenztagen für Arbeitslose und bei den ABM.

Steuererhöhungen sind offenbar vom Tisch, obwohl in den vergangenen Wochen der Eindruck entstanden war, sowohl die CDU als auch die SPD wollten die Steuern erhöhen — die CDU aus Verzweiflung, die SPD, um die Koalition zu spalten. Die SPD kritisiert den Verzicht auf Steuererhöhungen, als hätte sie nicht selbst davor gewarnt, daß insbesondere eine Mehrwertsteuererhöhung sozial ungerecht sei. Ein Blick auf die Steuerstatistik 1996 zeigt: Die Lohnsteuer hat 251 Milliarden, die Einkommensteuer lediglich 11,6 Milliarden Mark eingebracht. Markus Franz

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