: Juristischer Strich durch Kita-Rechnung
■ Das OVG hat entschieden: Eltern müssen ihr Einkommen nicht länger offenlegen. Das heißt aber nicht, daß Kitas billiger werden. Senatorin Wischer will noch eine Weile nachdenken
Die Bremer Kita-Gebühren sind gekippt. Das entschied gestern das Oberverwaltungsgericht (OVG). Zum 1. August muß sich die Stadt eine neue Beitragsordnung für alle Kindergärten überlegen. Damit bekamen 15 Elternpaare Recht, die gegen die Gebühren geklagt hatten. Eine Revision der Entscheidung ist nicht zugelassen.
Die schriftliche Begründung des Urteils steht noch aus, den Tenor gab die Kammer gstern aber bekannt: Das Beitragsgesetz muß geändert werden, weil der Datenschutz verletzt ist. Zudem sieht das Gericht einen überzogenen Verwaltungsaufwand. „Das Beitragskonzept war einfach zu problematisch“, erklärte Richter Hans Alexy gestern gegenüber der taz.
Das bisherige System sieht gestaffelte Beiträge vor, 619 Mark im Monat ist der Höchstsatz für Ganztagsbetreuung, 349.- Mark für Halbtagsbetreuung. 90 Prozent aller Eltern müssen zwar diese Höchstsatze nicht bezahlen, alle müssen allerdings ihre Einkommensverhältnisse im Detail offenlegen zur Berechnung der individuellen Beitragssätze. Das, stellte das Gericht fest, ist datenschutzrechtlich problematisch.
Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) will erst nach Bekanntgabe der Urteilsbegründung „verläßliche Vorüberlegungen“anstellen. Sie wird dann noch genau drei Wochen Zeit haben, bis die Frist abgelaufen ist, die das Gericht setzen will. Auch dürfte es schwierig sein, ein neues Gesetz so schnell zu verabschieden: Die letzte Bürgerschaftssitzung vor der Sommerpause findet bereits im Juli statt. „Mein Ressort hat sich an einem Beitragssystem orientiert, das seit mehr als einem Jahrzehnt unwidersprochen Grundlage der Berechnung war“, erklärte sie gestern.
Hintergrund der neuen Gebührenordnung vom März 1996 war eine Koalitionsvereinbarung, daß von den 120 Millionen Mark, die die Kindergärten die Stadt jährlich kosten, 15 Prozent von den Eltern bezahlt werden sollten. Davon will Tine Wischer auch nach dem Urteil nicht abrücken. Und auch eine Staffelung nach sozialen Kriterien will sie beibehalten.
Das OVG rät zu einer pauschalisierten Beitrags-Staffelung auf Grundlage der Brutto-Einkommen, was eine Offenlegung der Netto-Einkommen nicht nötig machen würde. Auf das Argument des Anwalts Dierk Pohl, ein Höchstsatz von 619 Mark sei „unverhältnismäßig und unzumutbar“, ging das Gericht im Urteilstenor kaum ein. Bleibt abzuwarten, ob in der schriftlichen Urteilsbegründung der soziale Faktor eine Rolle spielt. Richter Alexy betonte, es sei nicht auszuschließen, daß mit einer neuen Beitragsordnung manche Eltern mehr zahlen als heute. Pohl bedauerte vor allem, daß die Beiträge für das Kindergartenjahr 96/97 nicht revidiert werden müssen. Nur wer dem Gebührenbescheid rechtzeitig und schriftlich widersprochen hat, kann auf Grundlage der nächsten Kita-Beitragsordnung Geld zurückverlangen. ritz
(Siehe auch Interview S.26)
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