: Erdgipfel bringt Ernüchterung
Auf dem UN-Gipfel Rio + 5 sind die alten Nord-Süd-Konflikte wieder aufgebrochen. Bill Clinton verspricht nichts und lobt die Europäer ■ Aus New York Christa Wichterich
Für die indische Ökoaktivistin Vandana Shiva steht fest: „Rio + 5 ist ein völliger Flop.“ Tatsächlich hat die Konferenz in New York nicht nur eine ernüchternde Bilanz über den Zustand unseres Planeten und die umwelt- und entwicklungspolitischen Leistungen der Regierungen aufgemacht. Es ist nicht gelungen, dem Geist von Rio neuen Schwung zu geben. Eine ganze Latte ungeklärter Konflikte wurden schließlich an die UN- Kommission für nachhaltige Entwicklung verwiesen.
Auch die mit Spannung erwartete Rede des US-Präsidenten Bill Clinton brachte nur wachsweiche Ankündigungen: Clinton räumte zwar ein, daß der bisherige US-amerikanische Beitrag zum Klimaschutz „nicht ausreicht“ und das eine reale Gefahr der Klimaveränderung bestehe. 23.000 Quadratkilometer US-Küstenland würden bei einem Anstieg des Meeresspiegels überflutet.
Konkrete Zusagen aber vermied der Präsident. Clinton beglückwünschte nur die Europäer zu ihrem Ziel, die Treibhausgase bis zum Jahr 2010 um 15 Prozent zu vermindern. Tage zuvor hatte er seine Sprecherin erklären lassen, das sei nicht zu schaffen.
Clinton vermied konkrete Zusagen zum Klimaschutz
Erst kurz vor der Klimakonferenz im Dezember in Kioto will der US- Präsident der Welt enthüllen, welchen Beitrag die USA im Kampf gegen den Treibhauseffekt leisten wollen. Als „Anzahlung“, so der ironische Kommentar eines US- amerikanischen NGO-Vertreters, versprach Clinton Solarzellen auf einer Million amerikanischer Häuser. Die USA sind mit vier Prozent der Weltbevölkerung für 20 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich.
„Globale Partnerschaft“ zur Rettung von Umwelt und Entwicklung war in New York nur gut für Fensterreden. Gleichzeitig erlebte die alte Nord-Süd-Konfrontation eine Neuauflage: Der Norden machte sich stark für Umweltschutz, der Süden für Entwicklung. Die G 77, der Zusammenschluß von 134 Ländern des Südens, verzögerte, blockierte, torpedierte trotzig die Verhandlungen und versuchte, die Umweltbezüge im Abschlußdokument zu reduzieren.
Der indische Umweltminister Soz warf dem Norden vor, die Abkommen von Rio gebrochen zu haben; deshalb könne er jetzt keine Kooperation des Südens erwarten. „Es ist unfair“, erklärte Goh Chok Tong, der Premierminister von Singapur, „von den Armen der Welt eine Verminderung der globalen Umweltschäden zu erwarten, wo die meisten Schäden durch das frühere Handeln der reichsten Länder verursacht wurden.“
Nachholende Entwicklung, sprich: stetes Wirtschaftswachstum hat für die meisten Länder des Südens Vorrang vor Nachhaltiger Entwicklung. Der tansanische Sprecher der G 77, Jakaya Kikwete, sagte sogar an die Adresse des Nordens: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Last, die ihr uns aufbürden wollt.“
Die Länder der G 77 sind so unterschiedlich wie Singapur und Tansania. Singapur oder Süd-Korea leisten inzwischen selbst Hilfe für ärmere Staaten wie Tansania oder Südafrika.
Trotzdem trat die G 77 in New York als Gruppe „mit einer Stimme“ auf. Gemeinsam wehrte sie sich gegen die Aufnahme zusätzlicher Punkte ins Abschlußdokument wie Menschenrechte, Demokratie und soziale Mindeststandards.
Nur zähneknirschend nahmen sie eine Formulierung hin, daß nicht nur im Norden, sondern zunehmend auch im Süden „nicht- nachhaltige Muster der Produktion und des Konsums“ existieren.
Gemeinsam forderten sie Geld und Technologie aus dem Norden als Bedingung für Umweltschutz. Wangari Maathai, kenianische Umweltschützerin, ist erbost über diese Haltung: „Was sind das für Regierungen, die sagen, Nachhaltige Entwicklung hinge von Hilfe von außen ab? Ihnen fehlt der Wille, so wie dem Norden der Wille zu mehr Hilfe fehlt.“
Neue Trends fünf Jahre nach dem Rio-Gipfel
Drei Trends sind neu im Vergleich mit Rio. Zum einen die Hoffnung auf Privatinvestitionen als Motoren des Umweltschutzes und der Armutsbekämpfung. „Für uns läuft es hier ganz gut“, kommentierte Armin Rockholz, Umweltreferent des Deutschen Industrie- und Handelstags, die verstärkte Blickrichtung auf die Privatwirtschaft. Gleichzeitig redeten die Industrienationen gern von „Lastenteilung“ mit den Schwellenländern bei der Hilfe für den Süden. Zum dritten verwiesen sie immer wieder auf die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer.
Neues Geld für den Süden wird nicht locker gemacht. Das erneut heruntergebetete Ziel: 0,7 Prozent vom Bruttosozialprodukt für Entwicklungshilfe ist nur eine „Bemühensformel“ – man weiß, daß man es nicht einlösen wird.
Als „Stillstand“ beurteilte gestern das Forum Umwelt und Entwicklung die mageren Ergebnisse, und Michaele Hustede von Bündnis 90/Die Grünen fügt angesichts der fortschreitenden Umweltzerstörung hinzu: „Stillstand ist Rückschritt.“ Befragt, woher denn überhaupt noch eine Schubkraft kommen kann, antwortet der philippinische NGO-Vertreter Maximo Kalaw: „Von einer breiten sozialen Bewegung.“
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