: Richterspruch gegen Stradivari-Film gilt
■ Radio Bremen: Kein Widerspruch gegen „einstweilige Verfügung“des Gerichts / Film wird neu geschnitten
Radio Bremen wird keinen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg zu dem Dokumentarfilm „Der Fall Stradivari“einlegen. Das Landgericht hatte dem Sender unter Androhung einer hohen Geldstrafe untersagt, bestimmte umstrittene Passagen des Films noch einmal auszustrahlen. So muß der Streifen für den 28.7. (3Sat) umgeschnitten werden.
Fernseh-Chefredakteur Michael Geyer war in einem Leserbrief an die Frankfurter Rundschau, der gestern abgedruckt worden ist, noch fest davon ausgegangen, daß der Sender den Richterspruch nicht akzeptieren würde, sondern in einer mündlichen Widerspruchs-Verhandlung die eigene Rechtsauffassung vertreten würde. „Ich vertraue darauf, daß das Gericht in der mündlichen Verhandlung auch die redaktionellen Maßstäbe würdigen wird“, formulierte Geyer. Die 15 Sekunden zum Beispiel, in der der Film ohne dessen Wissen ein Kripo-Verhör des Beschuldigten Geigenschülers sendet („Sie haben die Frau auf dem Gewissen!“), ist für den Fernsehchef keine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und des Ermittlungsvorganges, sondern eine Kritik an der Polizei: Dem Zuschauer werde „auf drastische Weise vermittelt, wie die Beamten einen Beschuldigten bedrängen, gegen den sie keine Beweise in der Hand haben“, schreibt Geyer.
Das Direktorium von Radio Bremen vertraute offenbar weniger auf solche Rechtfertigungen. Hausfriedensbruch, Verletzung der Persönlichkeitsrechte und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes sehen nicht nur die Anwälte des Geigenschülers Vasile D., sondern auch die Strafrechtler des Deutschen Anwaltvereins in den von dem Hamburger Gericht untersagten Szenen, auf die Radio Bremen nun verzichten will.
Radio Bremen möchte durch den Rückzieher „nicht einräumen, daß man sich im Unrecht fühlt“, erklärt die Rundfunkratsvorsitzende Roswitha Erlenwein. Allerdings hatte auch der Fernsehausschuß, der den Film insgesamt „sehr interessant“bewertete, erhebliche Bedenken. Einige Mitglieder, so auch Erlenwein selbst, hatten den Eindruck, da seien „Emotionen geweckt und dadurch unterschwellig Vorurteile befördert worden, die einer Vorverurteilung gleichkämen“, faßt Erlenwein die Beratungen des Fernsehausschusses zusammen. Daß Radio Bremen nicht Widerspruch einlegt gegen den Hamburger Richterspruch, bewertet die Rundfunkratsvorsitzende als „kluge Entscheidung“.
Zu der vom Gericht untersagten Szene, in der die Kamera mit der Hausdurchsuchung in die Privatsphäre eindringt, sagt Erlenwein gegenüber der taz: „Ich persönlich gehöre zu denjenigen, die sofort gesagt haben: Das ist ja unglaublich, immer unter dem Aspekt: Was wäre denn, wenn Ihnen, wenn mir sowas passieren würde?
Bevor nicht geklärt ist, ob an dem Tatverdacht etwas dran ist, möchte ich nicht, daß ein Fernsehteam mich in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit einer Straftat vorführt.“ K.W.
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