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Bundesanwaltschaft tappt im dunkeln

■ Die Herkunft eines Drohbriefes von mutmaßlichen Neonazis ist unbekannt

Berlin (taz) – Ein anonymes Bekennerschreiben einer vermutlich neonazistischen Gruppe macht den Ermittlungsbehörden derzeit zu schaffen. Wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen bislang unbekannte mutmaßliche Rechtsextremisten. In einem Schreiben wurde kürzlich die Ermordung eines Polizisten, eines Gewerkschafters, zweier Richter, zweier Journalisten und drei „andersrassiger“ Menschen angekündigt. Die Adressaten auf einem angehängten Verteilerbrief sind bunt zusammengewürfelt: FAZ, Welt, NDR, WDR, Radio Bremen, SDR, RTL-Köln und Sat.1.

Daß es sich um eine Gruppe handeln könnte, will die Bundesanwaltschaft aus dem Sprachduktus des Briefes herausgelesen haben. „Die Verfasser geben sich den Anschein, eine Vereinigung zu sein, die Mord und Totschlag verüben will“, so die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Scheuten. An einer Stelle des Schreibens heißt es beispielsweise: „Wir Nationalsozialisten erklären den totalen Krieg.“ Ernstgemeinte Drohungen oder Äußerungen eines oder mehrerer Wirrköpfe? In dem Schreiben, dem eine Verteilerliste samt angeblich angeschriebener Medien beigefügt ist, heißt es unter anderem: „Der ganze genetische Abfall gehört nach Auschwitz.“ Der oder die Täter scheinen sich ihrer Sache sicher zu sein. Vorsorglich weisen sie daraufhin, daß die Briefmarke „nicht mit Spucke befeuchtet“ worden sei, folglich eine genetische Analyse zwecklos sei.

Daß es sich, wie eine Agentur meldete, über das erste Ermittlungsverfahren gegen Neonazis wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung handelt, ist allerdings falsch. Gegen mehrere führende Köpfe der rechtsextremen Szene war die Bundesanwaltschaft in den vergangenen Jahren wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgegangen, unter anderem gegen Kader der Nationalistischen Front. Severin Weiland

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