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Vor uns die Sintflut

■ In Tschechien, Polen und dem östlichen Brandenburg werden zum Wochenende neue schwere Regenfälle und Hochwasser erwartet. Breslauer Behörden befürchten eine Epidemie, Radiosender meldet erste Typhusfälle

Warschau/Prag (dpa/AP/taz) – Starke Regenfälle und neue Überschwemmungen werden ab heute in Polen, Tschechien und auch im östlichen Brandenburg befürchtet. Der polnische Ministerpräsident Wlodzimierz Cimoszewicz sagte im Parlament, er habe das Militär in Bereitschaft versetzt. Nach starken Regenfällen in Tschechien seien am Freitag nach Angaben von Meteorologen auch in südlichen Bezirken Polens Niederschläge von 50 Litern auf den Quadratmeter in zwölf Stunden zu erwarten. In der Nacht zum Samstag könnten es sogar 70 Liter werden.

Auch das tschechische Hydrometeorologische Amt verständigte den Zivilschutz und die Verwaltungen der zum Teil noch unter Wasser stehenden Bezirke im Südosten des Landes. Befürchtet werden ähnliche Witterungsbedingungen wie vor knapp zwei Wochen. Die starken Regenfälle hatten in Nordmähren und Südpolen zu einem Jahrhundert-Hochwasser geführt. Mindestens 90 Menschen kamen dabei ums Leben.

In Breslau ist das Hochwasser, das am vergangenen Wochenende über die Hälfte der Stadt überschwemmt hatte, inzwischen weitgehend abgeflossen. Doch es gibt noch immer kein fließendes Wasser in den Häusern. Der Leiter des Eisenbahn- Krankenhauses in Breslau, Jaroslaw Leszczynski, befürchtet eine Epidemie. Um die Seuchengefahr zu bannen, hätte spätestens am Mittwoch mit Massenimpfungen gegen Typhus begonnen werden müssen. Erst als Radio Zet am Mittwoch nachmittag die ersten Krankheitsfälle bei Breslauer Kleinkindern meldete, bestellten die Behörden eine größere Menge Spritzen gegen Typhus und Starrkrampf. Bedrohlicher ist aber die Gelbsucht.

Das abfließende Hochwasser hinterläßt in Dörfern und Städten eine gigantische Abfall- und Fäkalienspur. Bis Donnerstag hatte die Flutwelle in Südpolen insgesamt 58 Kläranlagen unterspült. 23 mußten abgestellt werden. Allein in die Weichsel fließen so jeden Tag 400.000 Kubikmeter ungeklärte Abwässer. In fast allen Ortschaften schwemmte die Flutwelle den Abfall der kommunalen wie der Sondermüllhalden in die Straßen und Häuser.

Unterdessen hat in der polnischen Grenzstadt Slubice die Evakuierung der Einwohner begonnen; die Häuser werden mit Sandsäcken verbarrikadiert. In Frankfurt (Oder) stieg der Flußpegel gestern auf 4,35 Meter. Der Grenzübergang Stadtbrücke nach Polen wurde gesperrt. Am Wochenende wird die deutsch-polnische Grenze voraussichtlich auf einer Länge von 170 Kilometern total gesperrt.

Auch in Brandenburg drohen starke Regenfälle. Weil das vom Regen getränkte Land weniger Wasser aus der Flutwelle aufnehmen kann, drohen die Überschwemmungen besonders gravierend zu werden. Damit steigt die Gefahr von Deichbrüchen. gl/gg Tagesthema Seite 3

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