: „Da ist alles im Fluß“
Bauverein der Elbgemeinden möchte lieber einen Mieter loswerden, als endlich ihrer Instandsetzungspflicht nachzukommen ■ Von Marco Carini
Exakt eine Mark Miete zahlt Harald Bentien noch für das 130 Quadratmeter große Haus an der Sülldorfer Landstraße 150 – nach diversen Mietminderungen. Und selbst dieser Betrag, findet der 40jährige, „ist eigentlich noch zu hoch“. Denn die Räume, die Bentien zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern bewohnt, gleichen einem Feuchtbiotop. Die Wände sind von großflächig wuchernden Schimmelkulturen bedeckt, fließend Wasser tropft bei nasser Witterung nicht nur aus dem Hahn, sondern auch von Decke und Wänden.
„Nach den Regenfällen im Juni stand fast die gesamte Bude unter Wasser“, erinnert sich Harald Bentien. Mit Schöpfkelle und Eimerchen versuchte die Familie ihr Heim wieder trockenzulegen. Doch den Wassermassen, die durch das undichte Dach und die porösen Fensterrahmen in das Haus flossen, war mit solch primitiven Gerätschaften kaum noch beizukommen. Seit dem Juni-Regen „stinkt es hier trotz ständig geöffneter Fenster so, daß wir dauernd unter Kopfschmerzen leiden“, beschreibt Bentien die Folgen.
„Der Bauverein der Elbgemeinden läßt dieses Haus systematisch verfallen“, klagt der Mieter die Eigentümerin der Pilz-Brutstätte an. In den 17 Jahren, in denen er schon in der Sülldorfer Landstraße wohnt, bekam der Mieter selten einen Handwerker zu Gesicht. Erst nachdem der 40jährige Anfang des Jahres einen Anwalt einschaltete, schickte der Bauverein vor wenigen Wochen ein paar Dachdecker vorbei. Die ersetzten statt der durchgeweichten Dachbalken und der in Auflösung befindlichen Isolierung gerade mal einige Dachziegel. Bentien: „Flickwerk, das mit Instandsetzung nichts zu tun hat.“
Daß die Genossenschaft die selbstverschuldete Rundum-Renovierung des eingeweichten Hauses ernsthaft angehen will, bezweifelt der Sülldorfer Mieter: „Die wollen mich weichkochen, bis ich ausziehe.“Bentien allerdings will bleiben und fordert von der Genossenschaft neben der Mängel-Beseitigung allein 45.000 Mark für die Reinigung des von den Sporen befallenen Hausstandes, inklusive einer seiner Auffassung nach wertvollen Sammlung angejahrter „Steiff“-Stofftiere. Was nicht mehr vom Schimmel befreit werden kann, will der Mieter ersetzt haben.
Bauvereins-Sprecher Gerd Ebel wollte gestern keine „detaillierte Stellungnahme“abgeben. Allerdings bestätigte er indirekt, daß die Genossenschaft nicht auf Instandsetzung des Hauses sondern auf den Auszug ihres Mieters setzt. Ebel: „Wir bereiten gerade ein attraktives Umzugsangebot für die Familie vor.“Ansonsten hält Ebel nur noch einen Kommentar bereit, dem Kontrahent Bentien mit Blick auf sein Heim durchaus zustimmen könnte: „Da ist alles im Fluß.“
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