: Sand und Bagger ohne Datum reservieren
■ Der Senat will den Überseehafen zuschütten. Aber ohne endgültige Vorgaben hängen Planung und Kosten in der Luft
Zum Schrecken für Häuslebauer möchte das Bremer Hafenamt nicht werden. Um die Preise nicht explodieren zu lassen und selber Geld zu sparen, können die Hafenbauer den Überseehafen nicht mit Sand aus normalen Fördergruben zuschütten. Stattdessen setzen sie auf Material, das aus Norddeutschlands Flüssen gebaggert wird. Immerhin sind drei Millionen Kubikmeter Sand nötig, um neuen Lagerhallen und dem anstelle des Hafenbeckens geplanten Großmarkt die nötige Standfestigkeit zu geben.
Die Frage, wo das Füll-Material für das 9,50 Meter tiefe, 100 Meter breite und 1.600 Meter lange Becken herkommen soll, ist nur eine der Ungewißheiten, mit denen sich die Ingenieure des Hafenamtes bei ihrer Planung herumschlagen müssen. Zwar bekunden Politiker der Bremer Regierungskoalition immer wieder die Absicht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und den Anfang des Jahrhunderts gebuddelten Hafen zuzuschütten. Trotz allen Drängelns der Planer gibt es aber noch keine genauen Vorgaben. „Wir wissen noch nicht einmal, ob wir das ganze oder nur einen Teil des Beckens zuschütten sollen“, sagt Helmut Wickmann, stellvertretender Leiter des Hafenamtes Bremen.
Das Becken ist marode, die Kaimauern auf den alten Holzspundwänden sacken ab, zwei Drittel der Kajen sind gesperrt. Um die Mauern zu stabilsieren, hat das Hafenamt Böschungen davor geschüttet. „Eigentlich müßte man die alten Kajen rausreißen“, sagt Wickmann. Aber dann fielen die Schuppen ins Wasser. „Wir wissen noch nicht, wie wir das technisch lösen. Das hängt auch vom Geld ab.“
Solange Bürgerschaft und Senat jedoch keinen Zeitplan vorgeben, können die Planer auch nicht seriös die Kosten berechnen. Denn auf der Welt gibt es nur wenige Spezialfirmen und Großbagger, die ein solches Monumentalwerk vollbringen könnten. Wenn gerade Shanghai oder Hamburg einen Hafen baut oder die Japaner einen neuen Flughafen auf eine künstliche Insel ins Meer setzen, wird der Markt eng und die Preise steigen. „Man muß sehen was wann woanders läuft“, sagt Wickmann.
Der Beamte steckt den Zeitrahmen für die erste große Hafenbeckenverfüllung der Bremer Geschichte ab: Vom „politischen Go“an anderthalb Jahre für das rechtliche Verfahren, dann vielleicht zwei Jahre für die Bauarbeiten.
Um Kosten zu sparen, ist im Bremer Hafenressort die Idee aufgekommen, den Sand aus der Außenweser zu nehmen, die sowieso vertieft werden soll. Schließlich kostet Sand pro Kubikmeter zwischen fünf und zehn Mark, aus der Außenweser wäre das Material zum Selbstkostenpreis zu haben. Doch die beiden Projekte laufen höchstwahrscheinlich nicht zeitgleich.
Eine Verzögerung der Arbeiten an der Fahrrinne aus der offenen Nordsee zum Bermerhavener Container-Terminal kommt für die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung nicht in Frage. Außerdem würde eine Entnahme des Sandes für den Überseehafen vom Planfeststellungsbeschluß abweichen, Proteste der Umweltbehörden könnten folgen. Den billigen Sand solange zu lagern, bis es am Überseehafen losgeht, sei ebenfalls unmöglich – schon aus Platzmangel.
So ist die Jade, die in den kommenden jahren ebenfalls ausgebaggert werden soll, als „Sand-Quelle“am wahrscheinlichsten. „Da fallen locker drei Millionen Tonnen pro Jahr an“, sagt ein Wasserbau-Experte. Die Jade bringe ja gerne mal viel Sand mit.
Bevor das Hafenamt den Überseehafen mit einer Spundwand verschließen und das Wasser herauspumpen darf, müssen zudem Einwände der Umweltschutz-Behörde und der Wasserrechtler geprüft werden. Wenn das Wasser-Volumen des Hafenbeckens wegfällt, könnte der Hochwasser-Pegel an der Weser ansteigen. Und der Überseehafen ist nicht nur Lebensraum für allerlei aus fremden Ländern eingeschleppte Krebstiere, sondern auch Kinderstube für Zander, Flußbarsch und Stint. Joachim Fahrun
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