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Päpstliche Anordnungen

■ Der Vatikan mobbt gegen Schwangerenberatung

Die katholische Kirche ist auf dem besten Wege, wieder einmal eine Argumentationshilfe für massenhafte Kirchenaustritte zu liefern. Der Papst, so wird gemeldet, will angeblich mit einem apostolischen Brief die deutschen Bischöfe auffordern, die Schwangerschaftsberatung zu beschneiden. Sie sollen zwar noch beraten, aber nicht mehr den gesetzlich erforderlichen Schein ausstellen dürfen, der für eine Abtreibung notwendig ist.

Käme es dazu, dann wäre der Kompromiß, zu dem sich die Bischöfe nach der parlamentarischen Neufassung des 218-Gesetzes vor zwei Jahren durchrangen, gänzlich ausgehöhlt. Denn eine Schwangerenberatung, die nur der seelsorgerischen Begleitung dient, ist überflüssig. Zumindest müßten dann die staatlichen Zuschüsse an Caritas und den Sozialdienst katholischer Frauen, die immerhin rund ein Siebtel aller Beratungsstellen betreiben, dann logischerweise eingestellt werden.

Doch dazu wird es nicht kommen. Denn die Bischöfe wissen sehr wohl, daß eine solche Entscheidung der Basis kaum zu vermitteln wäre. Auch jene Konservativen, die sich angesichts der politischen Kräfteverhältnisse und der gesellschaftlichen Stimmungslage notgedrungen der Neufassung des Paragraphen 218 unterordneten, taten dies aus wohlkalkuliertem Interesse. Allein über die Beteiligung katholischer Beratungsstellen haben sie noch eine Chance, ihr Dogma vom „Schutz des ungeborenen Lebens“ zu propagieren. Schließlich hat nicht zuletzt der Einfluß des Klerus dafür gesorgt, daß die Bonner Allparteienkoalition 1995 ein Abtreibungsgesetz verabschiedete, das vor die Wahlfreiheit der betroffenen Frauen den staatlichen Zwang zur Beratung stellte. Das war allerdings das Äußerste, was der liberale Teil der Gesellschaft den Lebensschützern zugestehen konnte. Die Mehrheit der Bischöfe weiß um die schleichende Auszehrung der Amtskirche. Rom ist für die Mehrheit der Katholiken in diesem Lande schon lange kein Machtzentrum mehr. Der Vatikan ist vielen ein touristisch höchst interessanter Ort, an dem hinter dicken Mauern Dogmatiker allerlei Skurrilitäten ausbrüten. Für ihr tägliches Leben aber haben diese keine Wirkung mehr. Und sollte dann doch die Schmerzgrenze überschritten werden, bleibt zu guter Letzt ja immer noch der Kirchenaustritt. Severin Weiland

Bericht Seite 4

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