■ Bosnien: Kroaten verhindern Rückkehr von Muslimen: Das Ende einer Illusion
Offiziell besteht Bosnien-Herzegowina aus zwei Teilstaaten – der Serbischen Republik und der Föderation Bosnien-Herzegowina. Letztere wird meist „kroatisch-muslimische Föderation“ genannt. Mit „Föderation“ werden die Gebiete Bosniens bezeichnet, die 1994, am Ende des Krieges, unter der Kontrolle der „Kroatischen Republik Herceg-Bosna“ und der legalen bosnischen Regierung in Sarajevo standen. An dieser Aufteilung hat sich bis heute wenig geändert. Trotz des 94er Abkommens, mit dem nicht nur der Krieg zwischen der bosnischen Armee und der bosnischen Kroatenmiliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ (HVO) beendet wurde, sondern beide Parteien auch gleich zu einem Staat innerhalb Bosniens zusammengefaßt wurden – der „Föderation“.
Von den westlichen Architekten der „Föderation“ wurde damals wie heute schlicht ignoriert, daß sich HVO und bosnische Armee gut ein Jahr bekämpft hatten und Tausende bosnische Muslime aus den kroatisch beherrschten Gebieten des Landes vertrieben wurden. Die Kalkulation der USA ist bis heute, daß die Muslime und Kroaten Bosnien-Herzegowinas sich – angesichts des gemeinsamen Kampfs gegen die bosnischen Serben – schon aneinander gewöhnen würden. Gleichsam als Schmiermittel für das neue Bündnis erhält die „Föderation“ Aufbauhilfen und westliche Militärhilfe für eine gemeinsame Armee. Doch diese gemeinsame Armee existiert nur rudimentär – genauso wie alle anderen Institutionen der Föderation. Die reale Kooperation zwischen den föderalen Partnern bleibt auf ein Mindestmaß beschränkt. Muslimische Mitarbeiter der Föderationsministerien reisen fast nie in kroatisch kontrollierte Gebiete, kroatische Föderationsminister kommen nur mit HVO-Militärbegleitung nach Sarajevo. Wen wundert es da, daß von einer Rückkehr von Flüchtlinge keine Rede sein kann?
Die brutalen Überfälle auf muslimische Heimkehrer sind Folge einer Politik, die den realen Verhältnissen vor Ort keine Rechnung trägt. Die internationale Gemeinschaft täte gut daran, die „Kroatische Republik Herceg-Bosna“ entweder als dritten Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas anzuerkennen – oder aber effektiv aufzulösen. Sie zu ignorieren, führt offensichtlich nicht zu den erwarteten positiven Ergebnissen. Rüdiger Rossig
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