■ War der Osten die bessere Lehrstelle?: „Viele junge Leute haben keine Chance“
Ralf Katzenstein, 28 Jahre, Angestellter
Die Politik der DDR-Regierung ist nicht unbedingt nachahmenswert, obwohl damals jeder Arbeit hatte. In der Schule wurde man gefragt, was man mal machen will, und den Beruf mußte man dann später auch lernen. Heute kann man sich den Beruf aussuchen, wird aber in der Schule nicht so gut über Berufsmöglichkeiten informiert. Darum muß man sich schon selbst kümmern.
Kerstin Grimm, 35 Jahre, Buchhalterin
Die Ausbildung in der DDR war auf jeden Fall umfangreicher und besser. Sie war zwar manchmal sehr spezifisch, aber ein Arbeitsplatzwechsel war in der Regel trotzdem möglich. Heute ist die Ausbildung zu allgemein, und es wird zu wenig für Lehrstellen gesorgt. In der DDR konnte jeder für seinen Lebensunterhalt sorgen, und keiner mußte nach der Schule zum Sozialamt rennen.
Björn Körbel, 25 Jahre, Förster
Ich finde positiv, daß in der DDR jeder Betrieb Lehrlinge ausbilden mußte. So hat jeder eine Lehrstelle bekommen. Wenn einer nicht das machen konnte, was er wollte, so hat er dennoch etwas Ähnliches gefunden. Die Unternehmen sollten auch heute gesetzlich zur Ausbildung verpflichtet werden. Ich selbst komme aus Ostdeutschland und konnte meinen Traumberuf ergreifen.
Gertrud Heise, 67 Jahre, Ärztin
In der DDR wurde dafür gesorgt, daß Lehrstellen da waren. Ich selbst konnte meinen Traumberuf allerdings nur über Umwege und gute Zensuren in einem anderen Studium ergreifen. Es ist wichtig, daß man mit Freude zur Arbeit geht. Die Kommunikation zwischen Arbeitsanbietern und Suchenden müßte besser sein, und die jungen Leute müßten bei Lehrstellen flexibler sein.
Erika Hiersche, 60 Jahre, Lehrerin
Früher mußte man im Osten ein Schulpraktikum machen. Wollte jemand später in einem anderen Bereich einen Beruf ergreifen, gab es Schwierigkeiten. Die Unternehmen sollten ökonomische Anreize erhalten, Lehrstellen anzubieten. Heute bemüht sich doch niemand ernsthaft, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Für mich stellt sich das System der BRD damit selbst in Frage.
Klaus Geißler, 56 Jahre, Schulleiter
Politiker und Großbetriebe nehmen die Verantwortung für die Jugendlichen nicht ernst genug. Viele junge Leute haben keine Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. In der DDR konnte man sich seinen Beruf nicht immer aussuchen, aber heute denken die meisten: Lieber irgendeinen Job als gar keinen. Ich denke, daß es besonders im Handwerk noch Ausbildungsreserven gibt.
Umfrage: Sabine Möhring
Fotos: Nino Rezende
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