: Teheraner Dissonanzen
■ Iran schlägt den Ton an, den Bonn vermissen läßt
Vom Iran lernen heißt auf diplomatischem Felde siegen lernen. Kein halbes Jahr ist es her, daß ein deutsches Gericht die iranische Führung der Mittäterschaft an einem vierfachen Mord bezichtigt hat, nun wird „Wiedergutmachung“ gefordert. Endlich, möchte man sagen, wird auch Zeit.
Aber nein, nicht an Teheran richtet sich diese Forderung. Deutschland soll das Verhältnis zwischen beiden Staaten wieder so gut machen, wie es einst gewesen ist – ablesbar an den Umsatzraten des Im- und Exportgeschäftes. Über „Verluste der Islamischen Republik Iran im Zusammenhang mit dem Mykonos-Prozeß“ räsoniert Botschafter Moussawian und verlangt Begleichung. Hat die Bundesregierung schon die Gegenrechnung aufgemacht, hat sie von den Verlusten an Menschenleben gesprochen, das Abhandenkommen von rechtsstaatlichen Prinzipien beklagt, das Verschwinden der Oppositionellen in den Kerkern angeprangert? Nein, denn, so heißt der zweite Lehrsatz der deutschen Diplomatenkunst, Diplomatie in Menschenrechtsfragen hat leise zu sein. Und so ist sie denn so still, daß sie im Boykottgedröhne der iranischen Regierung untergeht.
Das Schwellenland errichtet Handelsschranken und weist den Wirtschaftsweltmeister in die Schranken, die dieser allenfalls für Bananenrepubliken bereithält. Die Teheraner Regierung führt vor, wozu sich die Bonner nicht in der Lage zeigt: das Primat der Politik, ihrer Politik, vor die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu stellen. In Bonn jedoch lautet noch immer der erste Lehrsatz der Diplomatenkunst, daß die Diplomatie der Förderung der Außenwirtschaft zu dienen habe. Und so bemüht man sich fleißig, die wenigen Pflänzchen des bilateralen Handels, die die Mullahs noch nicht zertreten haben, zu hegen. Was stört es, daß es sich dabei auch um das Unkraut der Rüstungsgüter handelt?
Wann endlich begreift das Außenministerium, daß die beiden Lehrsätze der Diplomatenkunst nur einer sind? Ein Konditionalsatz, der die Ausübung des einen – des Handels – an die Verwirklichung des anderen – der Menschenrechte – knüpft. Und wann lernt das Außenministerium, diesen Satz laut und vernehmlich zu äußern? Erst dann würde es den Eindruck vermeiden, den es im Augenblick mal wieder macht: daß es eigentlich nichts Rechtes zu sagen hat. Dieter Rulff
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