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Ferkeleien in rosa Ton

■ Die Erotic Art-Ausstellung im Schlachthof hat eröffnet

Ein schwül-warmer Abend, und ein langer Weg zu gehen. Hinauf in den Turm, vorbei an Schildern mit vielsagenden Aufschriften. „Lechz“, „Stöhn“, „Hechel“- und man ist da, allein schon durch den schweißtreibenden Aufstieg in der richtigen Betriebstemperatur für die Eröffnung einer Ausstellung namens „Erotic Art– die Letzte“.

35 rosafarbende Tonexponate, appetitlich angerichtet auf schwarzen Säulen, hat Carl-Heinz Otto Schäfers gesammelt. Oder besser: anfertigen lassen, in den vergangenen Wochen von BesucherInnen des Schlachthofbiergartens.

Mit einem Eimer Ton in der Hand hat der Ausstellungsmacher Männer und Frauen zwischen 15 und 55 Jahren angesprochen und gebeten, Körperteile, -zonen oder -organe zu modellieren und im Anschluß daran zu notieren, welche erotischen Qualitäten sie ihrem Objekt zuschreiben.

Begleitet von der wundervoll schwulstigen Live-Musik des ostfriesischen Organisten „Herrn Kurt Mülberger“wandelt man so durch den leicht schummrigen, durch Kerzen und Glitzereffekte beleuchteten Raum und nimmt erstaunt zur Kenntnis, welche Körperteile die gemeinen BiergartenbesucherInnen zu stimulieren vermögen.

Lungenflügel, Eierstöcke und Nieren – was die eine an blutige Schlachten im OP-Saal erinnert, produziert bei anderen offensichtlch kräftige Testosteronausschüttungen. Klaus (38) muß seit Wochen dem Idealzustand des Dauerorgasmus ziemlich nahe sein, genießt er doch die unparfümierten Schweißströme aus Achselhöhlen. Heide hingegen bedauert, daß ihr Lustobjekt, Axels Fuß, für sie unerreichbar bleibt, was aber angesichts des ziemlich leprösen Aussehens durchaus zu ihrem gesundheitlichen Vorteil sein könnte. Anja und Cordula (29 u. 27) träumen vom Zwitter nach dem Prinzip des Ying und Yang, ausgestattet mit Pimmelnase, Busenaugen und Vaginamund. Carl, mit seinen 37 Jahren vom Leben gezeichnet, hat einen Wurmfortsatz geformt und mit dem Kommentar „Ficken ist albern“versehen. Ob er da zu heftig geyingyangt hat? Ramin schließlich knetete seine Bremer „Oralträume vom 24.7.“, die augenscheinlich sodomistischer Natur waren. Zu sehen ist ein Penis, an dem sich eine Zunge zu schaffen macht, die nur aus dem Maul einer Kuh stammen kann.

Carl-Heinz Otto Schäfers Abneigung gegen die omnipräsenten, im Trend der Zeit liegenden Erotic Art-Ausstellungen ist kaum zu übersehen. Aber wenn sie immer so detailverliebt, sinnlich und amüsant wären wie seine eigene Persiflage, wer wollte sich dann noch darüber ereifern? Doch, sehr schön das Ganze. Und Herr Mülberger ist ein Gott, so plüschig wie die rot-weiß gestreiften Pfeifenputzer, an denen die Erläuterungen zu den Modellen hängen. zott

bis zum 31. August im Schlachthof in der Galerie Im Turm. Öffnungszeiten: Mi-Fr 16-20 Uhr, So 14-18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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