: Gekündigt, kein Arbeitslosengeld
■ Angestellte verklagen türkische Isbank in Frankfurt: Unterliegen sie dem deutschen Sozialversicherungsrecht?
Berlin (taz) – Mehmet Yigitsoy arbeitete 15 Jahre in Frankfurt am Main, und die ganze Zeit beim gleichen Unternehmen – der Isbank GmbH, einem Tochterunternehmen der größten türkischen Bank Türkiye Is Bankasi. Jetzt sitzt Yigitsoy ohne Job da und bekommt nicht mal Arbeitslosengeld. „Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll“, klagt der 47jährige Bankkaufmann. Er ist Opfer eines Konfliktes, der jetzt das Arbeitsgericht Frankfurt am Main beschäftigt: Wann unterliegen Angestellte eines ausländischen Unternehmens deutschem Sozialversicherungsrecht und wann nicht? Die deutschen Rechte will Yigitsoy vor dem Arbeitsgericht einklagen – und mit ihm einige seiner Kollegen.
Laut seinem Arbeitgeber gilt Yigitsoy als sogenannter „Entsandter“ vom Mutterkonzern der Isbank, der Türkiye Is Bankasi. Die Bank versicherte den Kaufmann nach türkischem Sozialrecht über die konzerneigene Ersatzkasse. Das ist billiger als die deutschen Sozialbeiträge an die AOK und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Als der Mutterkonzern Yigitsoy und einige Kollegen in die alte Heimat zurückversetzen wollte, kam es zum Bruch. Die Banker protestierten gegen die Versetzung und verloren daraufhin ihre Arbeit.
Von „Betrug“ spricht jetzt die Kommunale Ausländerinnen- und Ausländervertretung in Frankfurt am Main. „Es ist keine Entsendung mehr, wenn ein Beschäftigter hier schon über 16 Jahre seinen Lebensmittelpunkt hat“, betont Klaus Wente, Yigitsoys Anwalt in Frankfurt. Sein Mandant und dessen Familie wollen nicht mehr in die Türkei zurück.
Ob die betroffenen Bankkaufleute tatsächlich Anspruch auf deutsche Arbeits- und Sozialrechte haben, darüber sind die deutschen Sozialkassen geteilter Meinung. Die BfA befand im Falle von Yigitsoys Kollegen Ali Karagöz, daß er der deutschen Sozialversicherungspflicht unterliege, weil der Bankkaufmann beim deutschen Tochterunternehmen Isbank unbefristet angestellt war. Die AOK Hessen beschied dagegen, für Karagöz gelte nicht das deutsche Sozialversicherungsrecht. Jede Entsendung gelte als „vorübergehend“, wenn der Arbeitsvertrag oder eine sonstige Vereinbarung eine „Rückbeorderung“ vorsehe.
Vor dem Gericht könnte den türkischen Bankern ein neueres Urteil des Bundessozialgerichts zu Hilfe kommen. Darin wurde den Angestellten einer deutschen Tochterfirma eines koreanischen Computerunternehmens bescheinigt, daß sie der deutschen Sozialversicherungspflicht unterliegen. Denn der „Schwerpunkt“ des Beschäftigungsverhältnisses lag beim Tochterunternehmen in Deutschland, nicht beim Mutterkonzern – wie bei den „Entsandten“ der Isbank. Barbara Dribbusch
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