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Sturm im nächtlichen Bierglas

■ Umweltverwaltung will Öffnungszeiten für Biergärten per Ausnahmeregel verlängern. Bezirke halten Regelung für überflüssig und rechtlich fragwürdig. Denn Lärm nach 22 Uhr bleibt grundsätzlich verboten

Eine neue Regelung der Öffnungszeiten für Biergärten sorgt für Zwist zwischen der Umweltverwaltung und den Bezirksämtern. Die Senatsverwaltung hatte nach einem Treffen mit Bezirksverwaltung und der Hotel- und Gaststätteninnung angekündigt, daß die bezirklichen Umweltämter zukünftig Ausnahmegenehmigungen für Schankvorgärten bis 23 Uhr in der Woche und bis 24 Uhr am Wochenende erteilen können. Die Genehmigungen sollen gebiets- oder bezirkseinheitlich ausgestellt werden, um Ungerechtigkeiten zu beenden, so Joachim Günther, Sprecher der Umweltverwaltung. Bisher seien unterschiedliche Genehmigungen selbst innerhalb einer Straße erteilt worden. Die Bezirksumweltämter sollen per Rundschreiben an die neue Regelung gebunden werden.

Hendrik Kalisch vom Umweltamt in Charlottenburg hält die neue Regelung jedoch schlichtweg für „heiße Luft“. Ohne Änderung der Lärmschutzverordnung bleibe sie wertlos. Denn diese verbietet grundsätzlich jeden Lärm zwischen 22 und 6 Uhr, der andere Personen in der Nachtruhe stört. Ausnahmegenehmigungen sind möglich, allerdings nur „soweit Schutzbedürftige nicht in unvertretbarem Maße beeinträchtigt werden“. Dies sei aber, so Kalisch, im innerstädtischen Bereich eigentlich nie der Fall. Er befürchtet daher, daß Anwohner gegen die Genehmigungen der Umweltämter erfolgreich klagen könnten. Die gebietsweise Erteilung von Genehmigungen sei zudem verwaltungsrechtlich unzulässig, kritisiert Kalisch. Jeder Wirt müsse einen eigenen Antrag stellen. Die Ausnahme könne auf keine Fall zur Regel werden.

Auch Regine Grafe, Leiterin des Umweltamtes in Mitte, hält die neue Regelung für „ein Windei im Sommerloch“. In Mitte gebe es mehr als 300 Biergärten. Bisher sei aber nur in vier Fällen eine Ausnahmegenehmigung nötig gewesen. Grafe setzt auf konstruktive Gespräche zwischen Wirten und Anwohnern. So habe man die Konflikte im Nicolaiviertel schon vor drei Jahren beheben können. „Durch die neue Regelung ändert sich nichts“, so Grafe. Sie bewirke nur eine unnötige Irritation bei Anwohnern und Wirten.

Vor einer Euphorie bei letzteren warnt selbst Heike Wille, Sprecherin der Hotel- und Gaststätteninnung. Zwar erwartet sie eine Verbesserung für die Wirte, empfiehlt aber auf keinen Fall die Öffnungszeiten ohne Absprache mit den Bezirksämtern zu verlängern. Sicher bleibt nur eins: Wo sich niemand über den Lärm beschwert, sind die Schankzeiten in den Biergärten nur durch die Sperrstunde von 5 bis 6 Uhr morgens eingeschränkt. Auch diese Regelung ist alt. Gereon Asmuth

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