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■ Die Subventionen für Ostdeutschland werden gekürztKohl schafft Sympathien

Die Ostdeutschen sind blöd. Diese Devise hat Helmut Kohl ja irgendwie schon immer vertreten. Erst hat er ihnen den Einigungsvertrag untergejubelt, dann die westdeutschen Industrievertreter und ihre Hundertschaften an Unternehmensberatern auf sie losgelassen. Macht was draus, Jungs, das Land sei euer. Verdient 'ne Mark, schafft mir zufriedene Bürger und steigert das Bruttoinlandsprodukt. So einfach wie gedacht, ging es dann leider doch nicht mit dem Aufbau Ost. Also langte Kohl tief in unsere Taschen und schenkte der Industrie Milliarden Steuergelder, damit sein Traum aufging. Und dafür haben die Ostdeutschen ihn auch noch gewählt.

Die Westdeutschen sind auch blöd. Sie ließen Kohl gewähren. Er durfte ihnen in die Tasche greifen, und also zahlten sie ohne großes Murren den Solidarzuschlag. Sie sahen zu, wie ihre Milliarden in den Osten flossen und das Geld in Westdeutschland fehlte. Sie ließen sich sogar das Bonner Sparpaket aufdrücken, um die durch die Kohlsche Wiedervereinigung entstandenen Haushaltslöcher zu stopfen. Ach ja, nebenbei konnten sie so noch ihren Beitrag zur problematischen Standortfrage leisten. Aber gewählt hatten sie Kohl ja vorher auch. Helmut Kohl ist schlau. Nach sieben Jahren der verfehlten Industrie-, Wirtschafts- und Steuerpolitik seines Laienkabinetts hat er die Chuzpe und läßt eine geplante Kürzung der Ostförderung das Kabinett passieren. Prima, ja ja, da muß jetzt mal Schluß sein, die Milliarden können wir uns nun wirklich nicht mehr leisten. Laßt den Blick vom Osten in den Westen schweifen. Da liegt Brüssel, und nur von dort kommt der Euro. Deshalb stellte sich ihm damals die Frage nach Prioritäten – Aufbau Europa oder Aufbau Ost.

Und dann, nach Wochen der Aufregung, der Geniestreich aus dem Kanzleramt. Er begrüßt den Kompromiß zwischen den ostdeutschen Wirtschaftsministern und seinem Rexrodt. Persönlich will sich Kohl nun dafür einsetzen, daß die Förderung nicht ganz so doll wie ursprünglich geplant gekürzt wird. Dabei sind jetzt endlich die Parlamentarier in dieser Angelegenheit gefragt. Das hindert Kohl nicht, das alles vor laufenden Kameras zu versprechen. Publikumswirksam auf der ersten Konsumgütermesse für Ostprodukte! Solch staatsmännische Weitsicht bringt Sympathien und Stimmen. Ulrike Fokken

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