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„Musik muß keine politischen Fragen stellen“

■ Zang Tianshuo, der Mann, der Peking eine Woche vor dem kommunistischen Parteitag zum Rocken bringt, sagt, daß Rockmusik Rockmusik ist. So wie Fußball Fußball. Nicht mehr

taz: Rockmusiker hatten im Pekinger Arbeiterstadion während der letzten Jahre nichts zu suchen. Warum treten ausgerechnet Sie dort auf?

Zang Tianshuo: Meine Lieder drängen heute weniger auf Gesellschaftsveränderung als früher. Natürlich übe ich noch Kritik, aber die radikale Seite ist verlorengegangen. Viele meiner Texte handeln jetzt von Natur- und Umweltproblemen. Es ist nicht Aufgabe der Musik, politische oder gesellschaftliche Fragen zu stellen.

Verraten Sie damit nicht Ihre Tradition? Ihre Band nennt sich „1989“ – nach dem Jahr der Studentenrevolte.

Im Westen darf jeder den Präsidenten kritisieren, in China nicht. Würde ich nicht aufpassen, würde ich im Krankenhaus oder im Gefängnis landen. Außerdem bin ich Buddhist und möchte andere nicht beleidigen oder belästigen.

Warum glaubt dennoch jeder, daß Rockmusik in China politisch ist?

Es gibt immer noch Beschränkungen für Rockmusiker. Wir haben zu wenig Chancen für Auftritte. Fernsehen und Radio blenden uns völlig aus. Andererseits spekulieren viele junge Musiker mit politischen Texten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Beides ist nicht gut und schadet der Musik.

Ist chinesischer Rock auch deshalb politisch, weil er vor allem in Peking stattfindet?

Peking ist die Hauptstadt Chinas. Deshalb ist hier auch die westliche Kultur am stärksten entwickelt. Andere Städte konzentrieren sich mehr auf die Wirtschaft.

Interessieren sich die jungen Chinesen überhaupt für Ihren traditionellen Rock? Es gibt doch längst auch westliche Techno-Musik in China.

Jede Generation muß Ihre eigene Zukunft beherrschen lernen. Ich habe 1983 meine erste Band gegründet. Das Publikum kennt mich seit mehr als zehn Jahren. So alt ist die Geschichte der chinesischen Rockmusik. Der Rockmusik und mir geht es also wie einem zehnjährigen Kind: Man ist neugierig und versucht alles. In Wirklichkeit aber steckt unsere Musik noch in einer Phase, wo vom Publikum eine klare Aussage verlangt wird. Die liefert der Rock besser als jede andere Musik. Grotesken und Aussagelosigkeit wie im Westen kommen bei uns nicht an.

Warum glauben Sie, daß Sie in Ihrer künstlerischen Abgeschiedenheit das Publikum so gut kennen?

Als Rockmusiker braucht man Kontakt zum normalen Bürger. Der ist in China in der Tat sehr schwierig zu bekommen, nicht nur in Peking, auch in der Provinz. Rockmusik ist eben Privatsache. Die meisten hören meine Kassetten nur zu Hause.

Ist Rock dann noch Befreiungs- oder Bewegungsmusik wie bei ihrem Aufkommen im Westen?

In China ist die Hoffnung auf gute Musik sehr groß. Grundsätzlich verhält es sich mit der Rockmusik wie mit dem Fußball: Beides wird in jedem Land anders gespielt – aber Fußball bleibt Fußball und Rockmusik bleibt Rockmusik.

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